Vortragsreise nach Korea

26. März bis 1. April 2018, Kyung Hee University Seoul, Chonbuk National University Jeon Ju, Nachhaltigkeits-Pionierdörfer in der Region Jeon Ju

Reisebericht P. Schmuck

Vorgeschichte

Zwei Professorinnen, die in Korea ein Projekt zur energetischen Nutzung von kommunal anfallenden Fäkalien planen, suchten im Januar 2018 Kontakt zu den Initatoren der Bioenergiedörfer in Deutschland. Im Februar wurde ein Treffen in Deutschland vereinbart. Ich vermittelte einen Besuch im Bioenergiedorf Jühnde und traf die Kolleginnen bei Kassel, wo ich ihnen die Geschichte des Projektes in Deutschland erläuterte und wir erste Überlegungen zur Übertragbarkeit der deutschen Erfahrungen anstellten. Auch meine weiterführenden Themen (nachhaltige Kommunalentwicklung, menschliche Potentiale zu Nachhaltigkeit, Lebensziele und Wohlbefinden) stießen auf Interesse. Danach kontaktierte ich die besten mir bekannten Experten zu Energiepotentialen von Fäkalien in Deutschland, um herauszufinden, welches energetische Potential Fäkalien haben. Hier etwas Sicherheit zu haben scheint mir Voraussetzung, um so ein Projekt überhaupt anzudenken. Überraschenderweise gab es gewaltigen Dissens. Die Auffassungen variierten zwischen „völlig marginal, lächerlich klein, der Ertrag reicht nicht mal, um ein Ei zu kochen“  bis hin zu „etwa 15 % des Strombedarfs von Industrieländern wären damit abzudecken“. Bevor ich das hinreichend klären konnte, erhielt ich eine Einladung zu mehreren Vorträgen zu dem Themenbereich „Future Sustainable Society and Human Happyness“ . Da ich mich hier kompetent fühle, nahm ich die Einladung an.

Vortrag für Studierende und ProfessorInnen der Kyung Hee University in Seoul

Die theoretische psychologische Basis für nachhaltige Verhaltensmuster, die vielfältigen stützenden empirischen Befunde und insbesondere die positiven Wirkungen von Potentialentfaltung auf menschliches Wohlbefinden stießen auf Interesse und wurden erst etwas ungläubig und nach mehreren Rückfragen und entsprechenden detaillierteren Antworten dann mit Freude und Begeisterung aufgenommen, wie mir mehrere TeilnehmerInnen im Anschluss explizit mitteilten. Die Diskussion drehte sich vorwiegend um die Frage, wie die positiven Erfahrungen bei uns in Deutschland, vor allen im EE – Stromsektor (D 36 % EE Anteil, Korea 2 %) auf Korea übertragen werden können. Ich fokussierte auf die m.E. zentralen Dinge: Sensibilisierung der breiten Bevölkerung für die Probleme der fossil-nuklearen Versorgung sowie das Entfachen von Begeisterung für die neuen Optionen, welche nicht nur ökologisch und sozial von Vorteil sind, sondern auch der nationalen/regionalen Versorgungssicherheit dienen. Da die Probleme der nuklearen Energieproduktion offenbar wenig präsent sind (es gibt in Korea derzeit ca. 20 Anlagen, weitere  2 Dutzend sind geplant), erläuterte ich auf Rückfrage dazu die Probleme, welche in Deutschland zum Atomausstieg  geführt haben. Diese Ausführungen hatten offenkundig hohen Neuigkeitswert und wurden teils erstaunt aufgenommen, wie Folgekommentare zeigten.

Kolloquium für Angehörige der Kyung Hee Universität, weiterer koreanischer Unis und Forschungsinstitute sowie für Lokalpolitiker der Administration des Grossraums Seoul

Den Hauptvortrag der Veranstaltung hielt ich diesmal mit Schwerpunkt Nachhaltige Stadtentwicklung und Wohlbefinden unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen inklusive der Lokalpolitiker selbst. Die Erfolge der am weitesten fortgeschrittenen mir bekannten Städte  und kleineren Kommunen unseres Landes stießen wieder auf großes Interesse. Insbesondere dass es bei uns bereits Kommunen mit mehr als 100% EE Stromversorgung gibt, wurde mit Begeisterung aufgenommen. Nach meinem Input gab es Koreferate von zwei koreanischen Professoren. Zum einen vom Initiator des Fäkalien-Projektes, Jaewon Cho Ulsan National Institute of Science and Technology und zum anderen von dem Umweltaktivisten Jongho Hong von der National University in Seoul. Weitere Podiumsteilnehmerin war Irina Bokova, Generaldirektorin der Unesco 2009-2017, z.Zt. Gastdozentin an der Kyung Hee University. Frau Bokova sprach von „fascinating success stories“ in Deutschland, die nun auf die internationale Ebene zu übertragen seien und rief zu „political leadership“ und responsiveness“ auf, also dem Einhalten der wiederholt  unterschriebenen Nachhaltigkeits-Absichtserklärungen seitens der jeweiligen Regierungen, jüngst der 17 SDGs, des Pariser Abkommens und der Agenda 2030. Da m.E. Appelle an die Politik (vielleicht notwendige, aber offenkundig) keine hinreichende Bedingung für substantielle Veränderungen sind, rief ich darüber hinausgehend zu einer Sensibilisierung für die globalen Probleme  einerseits sowie die grossartigen Optionen nachhaltiger Lebensstile andererseits in der breiten Bevölkerung auf. Nur wenn breite Bevölkerungsgruppen verstehen, worum es geht, werden sie diejenigen Politiker wählen, welche dann die zukunftsfähigen Optionen tatsächlich durchsetzen.  In der Diskussion über „zu hohe“ Preise für erneuerbare (verglichen mit fossil/nuklearen) Energien machten Frau Bokova und ich mit verschiedenen Argumenten auf die Abstrusität dieser Behauptung aufmerksam. Frau Bokova verwies darauf, dass der Preis für ein Fortsetzen der fossil/nuklearen Option (ökologisches Disaster, Kriege, Fluchtbewegungen, Hunger) überhaupt nicht zu beziffern sei und darum EE nicht zu teuer sein könnten. Ich blieb etwas näher an der ökonomischen Denke und verwies darauf, dass EE längst marktfähig (sprich deutlich günstig im Preis als fossile/nukleare Energie) wären, wenn die Preise für fossil/nukleare Energien ehrlich wären, also deren Preis die Aufwendungen für die Behebung von Folgeschäden enthielten. Die Frage nach den Quellen meiner psychologischen These eines positiven Zusammenhangs zwischen der Entfaltung unseres Humanpotentials für Erhaltung und Bereicherung ökologischen und sozialen Aufblühens einerseits und meschlichen Wohlbefindens andererseits beantwortete ich gern: Sie finden sich unter anderem in buddhistischen Überzeugungen, welche auch in Korea lange Tradition haben.

 

Vortrag vor Studierenden der staatlichen Universität in Jeon Ju, einer regionalen Nachhaltigkeits-Agentur und lokalen Agenda 21 AkteurInnen

Hier habe ich auf Wunsch der einladenden Professorin Eom über grundlegende Fragen der Notwendigkeit Nachhaltiger Entwicklung gesprochen, bevor ich zu Fragen menschlicher Potentiale, zu Pionierprojekten in Deutschland und zu Wohlbefinden der Menschen als Folge nachhaltiger Lebensweisen sprach. Die Diskussion drehte sich wieder um die Probleme von Nuklearenergie sowie die Anwendbarkeit von Erfolgsfaktoren der deutschen Pionierprojekte in Kores.

Besuch zweier Pionierkommunen im Umland von Jeon Ju

Auf Initiative von Agenda 21 Akteuren und der Ortsvorsteher wurden in zwei besuchten Pionierkommunen mehrere Häuser mit EE Elementen ausgestattet, eine BNE  Einrichtung für Kinder der Region und ein Nachhaltigkeitspfad für Touristen eingerichtet. Hier interessierte die Menschen, wie wir es in Deutschland mit der Fördermittelakquise für kommunale EE Projekte gemacht haben, weil das hier in Korea wohl sehr schwierig ist. Ich verwies auf positive Erfahrungen, bei den Fördermittelgebern auf die Absichtserklärungen der eigenen Regierung bei internationalen Vereinbarungen zu pochen. Dann interessierte, wie man Menschen, die noch nicht aufgeschlossen für kommunale Veränderungen sind, gewinnen kann. Hier verwies ich einerseits darauf, den Motivationsmix in Menschengruppen (ökologische, aber auch soziale und finanzielle Erwartungen) nicht nur zu tolerieren sondern als Erfolgsbedingung zu betrachten. Andererseits teilte ich konkrete Hinweise mit, wie man Menschen für eigene EE Anlagen begeistern kann. Etwa durch ein Vorrechnen in einer Dorfversammlung, wieviel Finanzen pro Jahr im eigenen Dorf für die Energieversorgung aufgebracht werden und wohin diese Mittel bei den verschiedenen Versorgungsoptionen fließen (dies sind bei einem 1000- Seelen-Dorf und Ausgaben für Heizung von 1000 Euro pro Kopf und Jahr bereits 1 Million Euro, die im Dorf erwirtschaftet werden müssen  – was Menschen, die dies das erste Mal hören, in Erstaunen versetzt). Oder durch einen Verweis auf Unterschiede in der Versorgungssicherheit im Falle einer Abhängigkeit von importierten/endlichen Ressourcen vs. nachwachsenden/regional verfügbaren Ressourcen.

Ausblick

Bezüglich der energetischen Nutzung von Fäkalien wurde vereinbart, direkte Kontakte zwischen deutschen und koreanischen Experten zu diesem Thema zu stiften. Die Nachricht von der Beendigung der Nutzung von Kernenergie sowie die Erfolge der Energiewende in Deutschland scheinen bei vielen Menschen in Korea wenig oder nicht bekannt zu sein. Solche  Informationen können außerhalb Deutschlands die Sensibilität für die Machbarkeit zum Umbau in Richtung von zukunftsfähigen Gesellschaften erhöhen und die Initiatoren neuer Projekte dort unterstützen. Die weitere Umsetzung einer dezentralen Energiewende in Deutschland kann somit auch Menschen in anderen Ländern die Vorzüge der kleinräumigen und genossenschaftlich organisierten Versorgung – als Start in eine zukunftsfähige Gesellschaft mit weiteren ökologischen und bürgerschaftlichen Optionen auch für Verkehr, Lebensmittelversorgung oder Landwirtschaft (wie sie in deutschen Zukunftskommunen wie Alheim, Saerbeck, Merkendorf, Ascha, Bollewick bereits weit fortgeschritten sind)  deutlich machen und damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung einer Gesellschaft leisten, die nunmehr seit knapp 30 Jahren in internationalen politischen Vereinbarungen gefordert wird, aber praktisch in globalem Rahmen bisher nicht aus dem Startloch gekommen zu sein scheint.

Bericht in der Universitätspresse:

Overcoming Disaster and Conflict by Developing Renewable Energy

2018-04-25 Academic

Why energy conversion? Why renewable energy?

On Thursday, March 29, in the Main Conference Room of the University Administrative Building (UAB), a colloquium was organized under the title, “Sustainable Future City & Happiness I.” The lecture was delivered by Professor Peter Schmuck from University of Göttingen, Germany. Professors Irina Bokova, Miwon Chair Professor and Honorary Rector of Humanitas College (former UNESCO Director-General), Jae-won Cho of Ulsan National Institute of Science and Technology (UNIST), and Jong-ho Hong of Seoul National University (SNU) also joined as panelists.

Professor Schmuck began his lecture by imploring, “Humans look to the future, which is why we are able to evolve constructively, and pursue happiness while building a sustainable future. We must grow into a society that respects all lives, makes healthy choices, and takes steps to make social transformation.”

 

We need to think on a global scale
Currently, there are over 140 renewable communities in Germany, with another 40 villages preparing to make the transition. Alheim, for example, is a model renewable energy town, where it supplies more than 100% of the community’s energy consumption and electric vehicles are operating for free.

In this town, solar energy industry has created 250 new jobs. Firstly, management, training and promotional activities are autonomously carried out through a co-op. Secondly, the youth and the elderly collaborate to produce environmentally-friendly foods. As a result, residents are utilizing renewable energy to redefine themselves in this ‘well-being community,’ dedicated to improving themselves, their society and even their environment.

Professor Schmuck published a research paper based on his interviews of 17 mayors in renewable energy cities; the findings were remarkable. “The elderly who actively participate in addressing social issues are more alert than those who do not. Teens who take great interest in social issues live a healthier life than those who do not. People who are active in volunteering are healthier, and those who live simple lives are able to enjoy a healthier life.”


There is an urgent need to transform how we perceive energy
Here in Korea, studies on renewable energy are also underway. Professor Jae-won Cho has been awarded 10 billion KRW from the Ministry of Science & ICT (MSIP) until 2022 to implement the “Science Cabin Project,” in which Professor Cho will explore ways to recycle and harvest energy from human organic waste collected by environmentally-friendly toilets. Professor Cho described the motivation for the project and said, “Through this project, I hope to deliver the message thatvalue is derived from humans.’ Humankind’s happiness comes from creating a sustainable future society.”

Professor Jong-ho Hong stressed, “Korea has long been focused on developing nuclear and fossil fuel energy for over 40 years. We need a change in perspective in government, among experts, businesses, and the media, so that we can collectively seek solutions for a sustainable future.”

Professor Irina Bokova exhorted, “If we ignore renewable energy, we will face disasters, such as rising sea level and climate change, which will give rise to conflicts and climate refugees. We must expand the base of renewable energy through environment education.”