Vortrags- und Studienreise nach
Südkorea und Australien, 21.11.2016 bis 17.12.2016
Montag, 21.11.
Abends
Abflug von Tegel, Dienstag 17 Uhr in Seoul gelandet, von zwei Studierenden
abgeholt und in ein schönes Hotel begleitet worden.
Mittwoch 23.11. (Rückblick vom
Donnerstag)
Hier ist heute eine Exkursion angesagt zu Brennpunkten in Seoul. Ein
Stadtbezirk ist Transition town, inspiriert durch zwei Frauen, die nach
Fukushima wild entschlossen waren, nicht länger zuzuschauen, wie die Welt zu
Tode geritten wird, sie haben gestern davon erzählt, das Herz war ganz warm.
Genauso wie bei jungen Frauen aus Kathmandu/Nepal und Bogor/Indonesien, welche
mit unglaublicher Kreativität Sensibilität und Emotionen vor allem bei Kindern
und jungen Leuten wachrufen. Sie schminken z.B. Kinder als Tiere des
Regenwaldes, und die spielen dann gemeinsam miteinander. Sie laden Eltern ein,
mit ihren Kindern aufregende Dinge zu basteln, aus Naturstoffen Energie
einzufangen zum Beispiel, Wasserräder bauen, anstatt auf ihren Handies
rumzuklimpern. An vielen Stellen der Welt kommt die Idee hoch, dass das
gemeinsame Miteinander für ein neues Leben danach nicht nur irgendwie geht,
sondern einfach mehr Freude bringt als das gängige materielle Rumgewurstel.
Mir fällt grad auf: Natürlich gab es gestern auch viele männliche Redner.
Die haben aber fast durchgängig über abstrakte Dinge geredet (die 17
sustainable development Goals und solcherlei Dinge) und sich mit allgemeinen
Aufrufen an die Menschheit und die anwesenden Studierenden begnügt. Wir müssen
nun endlich mal... Armut mitigieren, Hunger eindämmen, Temperaturanstieg
einschränken... ABER WIE? Das überlassen die alten Herren dann den jungen
Leuten. Das hören wir nun seit 30 Jahren, und viele Trends laufen derweilen
weiter munter in die falsche Richtung...
Zinsen, Wirtschaftswachstum, Medien- und Industriekonsortien und
Interessenskartelle als mögliche Treiber des Niedergangs wurden kaum
thematisiert bis auf die Hinweise am Rande meines Vortrages.
Ich habe im Schlusspanel die Studis ermutigt, ihrem Gewissen zu folgen
statt gängiger Karriereplanung, wirklich neue Wege zu gehen, Emotionen und
spirituelle Dinge zu kultivieren und mit dem eher männlich geprägten kühlen
Kopf zusammenzubringen.
Die Zuwendung vieler junger Leute nach dem Kongress, viele baten um ein
Foto mit sich und um weitere Infos, zeigte, dass vielleicht einiges auf guten
Boden kam.
Donnerstag, 24.11.
Morgens fuhren wir in einem Bus mit den auswärtigen "Delegierten"
aus Nepal, Indonesien, China durchs sonnige Land zu einer Firma, welche LED
Lampen international vertreibt. Diese Lampen reduzieren ja den Stromverbrauch
um ca. 80 % und sind somit für die Effizienzschiene der Nachhaltigkeit eine
tolle Sache, wenn man sich die Lichtlandkarte von Google Earth vorstellt...
Entsprechend wirbt die Firma mit ökologischen Argumenten. Gleichzeitig
zeigten die Manager denn einen riesigen Golfplatz, der mit LEDs statt
herkömmlichen Leuchtmitteln beleuchtet war. Der Suffizienzaspekt ist also noch
nicht recht in den Köpfen angekommen und ich verkniff mir die Frage nach
Rebound Effekten, verfügbaren Gesamtenergiemengen und deren Aufteilung
sowie, ob man vielleicht auch zufrieden sein kann, wenn man bei Tageslicht
golft... Die Augen der Manager leuchteten so begeistert - und die Transformation
geht eben Schritt für Schritt...
Dann waren wir im Rathaus einer 1 Millionen Stadt im Grossraum Seoul, das
komplett mit den tollen LEDs ausgestattet ist. Die Koreaner sind ziemlich
locker drauf und führten uns ins Dienstzimmer des Bürgermeisters, wo wir alle
spasseshalber mal in dessen Sessel Platz nahmen (er war gerade auf Wahlkampf,
will Präsident von Korea werden) und rumalberten. Der Umweltminister aus
Indonesien mimte den bierernsten obwohl er sich über das Interieur auf dem
Schreibtisch köstlich amüsierte und ich hob einen grosses Teeglas, welches an
einen Bierhumpen erinnerte und liess meine Assoziation "Oktoberfest"
raus (obwohl ich da nur einmal war und mein Literchen nicht geschafft hatte) -
da lagen die anderen flach vor Lachen. Die bayrische Saufkultur scheint in der
Welt das Bild von uns Deutschen recht ordentlich mitzuprägen. Ein indischer UNO
Beamter lobte Deutschland gestern allerdings auch wegen unserer Rolle bei der
Energiewende, es gibt also auch noch andere Dinge, die man mit Deutschland verbindet...
Essen war dann ausserhalb der Stadt, wir mussten eine Stunde
Autobahn fahren, um den Hochhäusern des 20 MIO Grossraums Seoul zu
entrinnen. Ein Fair trade Lokal, kochen taten wir Gäste selbst mit einem Topf,
der auf einer in der Tischplatte eingelassenen Kochplatte beheizt wurde,
jeder konnte mitrühren und fachsimpeln, was da so reinkommt von den
vielen Tellern auf dem Tisch. Derweilen belatscherte uns von der Seite ein
Fabrikant von Ökohühnern, der hatte vermutlich das Gastmahl gesponsert...
Nachmittag ging es dann zurück in die Stadt, ich glaube das hat zwei
Stunden durchs Gewühle der Metropole gedauert zum Naemdongdingsbums Markt - die
Namen klingen alle so ähnlich für unsere Ohren und merken lassen sie sich
schlecht, weil die Schilderwälder sich uns nicht erschliessen. Am Rande - die
koreanische Schrift sieht zwar für uns dem Chinesischen ähnlich, hat aber nur
24 Buchstaben, ist also unserer Schrift strukturell sehr ähnlich. Ach und
Strassennamen und Hausnummern gibt es hier nicht, man muss höllisch aufpassen,
dass man sich nicht verläuft und wenigstens den Hotelnamen in koreanischer
Schrift mithat...
Abends schleppte mich dann Ocki, mein koreanischer Freund, in die Church of
God, welche gerade von Queen Elisabeth eine Charity Auszeichnung erhalten hat.
Man platzte fast vor Stolz und statt einer Predigt wurde ein bombastischer Film
von der Preisverleihung im Buckinghampalast gezeigt, da rasselte es nur so vor
Ehrenketten und steifer Förmlichkeit der enlischen Lords, der Ehrenwachen und
der wie meist himmelblau gekleideten eleganten über 90 (?) jährigen freundlich
dreinschauenden englichen Queen. Die überwiegend weiblichen Kirchenbesucher
hatten weisse gestickte Kopftücher auf und schienen schwer gerührt zu sein...
Ja wer wird schon von der Queen geehrt...
Als exotischster Gast im Gotteshaus wurde ich dann um ein Interview
gebeten, wie ich das so finde. Die Kamera lief und ich konnte vollen Herzens
das soziale Engagement der Kirche hochleben lassen, indem ich das mit
Nachhaltigkeit und dem mir vertrauten Vokabular von Potentialentfaltung und
deren allgemeinem Nutzen fürs Universum einleitete. Dann musste ich natürlich
den Bogen zu der konkreten Kirche schlagen und mir fiel der Name der Kirche
nicht ein, der ich gerade lobhudelte. OJE, mir ging die Story von einem US
Präsidenten durch die Birne, der den Namen des Landes verwechselt hatte, in dem
er sich gerade aufhielt... Siedend heiss guckte ich, ob ich den Namen irgendwo
erspähen konnte, aber da waren nur unverständliche Schriftzeichen... Da zischte
mir Ocki von der Seite - zum Glück in mein gutes rechtes Ohr - "CHURCH OF
GOD" zu und die Situation war gerettet.
Heute ziehe ich um ins Gästehaus der Ewha Womans University (nachdem
ich mich vergewissert habe, dass die auch Männer da zulassen). Dort und an
Ockis Halla University werde ich die nächsten Tage weitere Vorträge
halten.
Freitag, 25.11.
Ein Video über lachende Buddhisten angesehen. Das hat, die Geschichte der zwei Mönche in
der Provence „DAS IST EIN BAUM“, bekräftigend, die folgenden Gedanken
ausgelöst.
Sobald wir beginnen zu denken und zu sprechen, zerhacken wir die Realität
in lauter Einzelteile. Das geht nicht anders, weil wir uns mitteilen wollen und
nicht anders können als über Worte die Wirklichkeit in Schubkästen zu packen
(BAUM, Behinderter). Und es ist auch nicht weiter schlimm, solange wir uns
bewusst sind, dass es eine Wirklichkeit hinter den dürren Worten gibt, die viel
viel reichhaltiger und farbiger und aufregender ist als das, was wir in Worten
davon einfangen können.
Wenn wir aber unsere Widerspiegelung der Welt mit dem Filter der Worte
- der Welt selbst gleichsetzen, dann ist das schlimm, oder besser traurig,
weil dann die wahrgenommene Welt farblos, eintönig, langweilig wird. Wir
stereotypisieren, was wir wahrnehmen, daraus entstehen Vorurteile und die
verändern dann wirklich die Realität hin zu Gleichförmigkeit und Langeweile.
Ich hatte in diesem Jahr eine spirituelle Erfahrung, an einem See sitzend
bei Regen, als es mir gelang, Denken und Worte zu vertreiben und nur wahrzunehmen.
Da passierte das, was in dem Video mit den lachenden Menschen vermutlich
passiert ist: Ich merkte, um wieviel reicher und schöner die Welt ist als im
"normalen" verbalen Wortschlangenbrei.
Das war auch die Lösung der Frage, die mich seit 1970 beschäftigt. Es ist
die Frage nach dem Wesen der Liebe, warum Menschen scheinbar irrational oft ein
Leben lang immer wieder nach seelischer und körperlicher Vereinigung streben.
Das konnte ich nicht auflösen - und nun scheint mir endlich die Antwort
auf der Hand zu liegen.
Der Zustand, in den wir Menschen bei der Vereinigung kommen, ist ein
Zustand jenseits der durch Worte zerhackstückten Welt, in der wir einen Zipfel
der Ewigkeit, der Glückseligkeit, des Aufgehobenseins im Kosmos erleben. Wir
fühlen uns dann (meist nur recht kurz) zu Hause im Universum, und suchen diesen
Zustand dann immer wieder zu erreichen, wissen nicht recht warum - oder können
es jedenfalls nicht in Balance mit der Verbal-Welt bringen. Deswegen sprechen
wir bei der Vereinigung nicht, deswegen lachen die Menschen in dem Video
anstatt Fragen zu stellen und die das Video anschauen sind bezaubert, weil sie
einen Zipfel dieses Gefühls miterleben dürfen.
Es ist schwierig in Worten auszudrücken, wenn man einen Zustand jenseits
von Worten ausdrücken möchte, eigentlich geht das gar nicht.
Freitag abend, bin jetzt in der Ewha Women University im Gästehaus, und
hier ist eine ganz besondere Energie, die ist richtig greifbar. Glockenhelles
Lachen allover the Campus, die Bäume und Büsche scheinen sich hier auch
besonders wohl zu fühlen, Abendsonne hat hier eine richtige Zauberstimmung
in den blutroten jap. Fächerahornbäumen entfacht.
Eine wunderbare Harmonie. Und mit energischen Frauen hier geschwätzt, die
haben Ocki und mich in der Schnelligkeit und emotionalen Tiefe des Austausches
einfach erdrückt, gut dass wir zu zweit waren und uns in Jokes (über die
uns viel zu kleinen FilzSchuhe im UNi Museum
beispielsweise) und langen Lachanfällen aus der Affäre ziehen
konnten.
Samstag, 26.11.
irgendwas ist immer: Heute mehr als 1.3 Millionen wütende Koreaner auf Demo
gegen ihre korrupte Präsidentin.
http://www.koreatimes.co.kr/www/news/nation/2016/11/116_218977.html
Aber der Reihe nach: Nachts nicht besonders geschlafen, immer noch Jetlag
und dazu Krawall aus der Nachbarwohnung, wo zwei angetrunkene englische Damen
herumkrakeelten. Heute früh bissel gearbeitet, Gemeinwohlökonomie-report für
die e-fect Genossenschaft überarbeitet. Nach dem Frühstück im Koreanischen Nationalmuseum
erfahren dürfen, dass wir Europäer im Mittelalter das gleiche gemacht haben,
was wir heute gerne den Asiaten vorwerfen: Abgucken hiess das in der Schulzeit.
In Asien hatte man Buchdruck, Papier- und Porzellanherstellung u.ä.
bereits erfunden, dann haben es wir Europäer es abgeguckt und tun
seitdem so, als hätte einer von uns wie Gutenberg sich das ausgedacht...
Also etwas mehr Toleranz und Freude wenn sich gute Gedanken verbreiten
anstatt Patentschutz, das wärs!
Das Beste im Museum waren allerdings nicht die toten Ausstellungsstücke
sondern die lebenden Kinder. Die tobten ausgelassen in den Räumen herum und
alle freuten sich mit. Und draussen fing es an zu schneien, die Flocken gross
wie Haselnüsse.
Dann traf ich Ocki. Wieder in der Church of God, wohin er mich zu einem
Konzert eingeladen hatte. Dass er mich vorher zu einem Jünger der Kirche
konvertieren zu bekehren beabsichtigte, hatte er mir nicht so richtig gesagt.
Er lud mich in ein Separeé der Kirche ein, darin gabs Gebäck und Tee und eine
sehr freundliche Dame, bewaffnet mit der Bibel. Sie zeigten mir erst einen
Film, in dem lauter tolle Anhänger der Kirche aus aller Welt im Interview
sagten, dass Gott eigentlich eine Frau ist, bzw. dass der männliche Gott
zumindest eine tolle Frau hatte (die ihm sagte, wo es lang geht).
Seit dieser Erkenntnis, gefördert durch die richtige Bibeldeutung seitens
der Church of God, sei nun das Weltbild geradegerückt und man könne sich erst
nun als Mensch in der Welt zu Hause fühlen.
Danach lasen mir beide in einer normalen Bibel einige Stellen vor, die diese
Sicht eines weiblichen oder zumindest androgynen Gottes plausibel machten.
Ich war sofort überzeugt. Was ich bislang aus Kirchenkreisen über den
Zeugungsvorgang von Jesus gehört hatte und warum da ständig von Vater und Sohn
aber nie von Mutter und Tochter die Rede ist, fand ich schon immer extrem
schräg. Also teilte ich den beiden mit, dass ich das auch so sehe.
Auf Basis dieser Übereinkunft wollte ich nun zum wissenschaftlichen Teil
übergehen, zur Frage, warum die anderen Kirchenströmungen die patriarchische
Auslegung der Bibel bevorzugen. Ich hatte so Macht- und Zinsfragen im Visier
und freute mich richtig auf den Fortgang des Gespräches, aber der war leider so
von Ocki und der Missionarin nicht vorgesehen.
Ocki trat mich also ans Schienbein, indem er mich darauf verwies, dass ich
während die Missionarin sprach, etwas auf meinen Zeichenblock gemalt hatte, und
während er gesprochen hatte, nix gemalt hatte. Dass ich also der Dame nicht
100% Aufmerksamkeit geschenkt hatte, ihm aber schon.
Nun wurde ich etwas ärgerlich, weil ich nicht wusste, an welcher Stelle ich
anfangen sollte, mich aufzuregen: Dass Ocki mir unterstellte, beim Zuhören
nicht gleichzeitig einen Kreis malen zu können, beim Vorwurf der
Gender- Incorrectness oder darüber, dass mir beide die ersten dreißig Minuten
keine Gelegenheit gegeben hatten, mal ein Feedback zu geben.
Aber geduldig wie ich bin, beschloss ich, mich gar nicht zu ärgern sonder
bat formell ums Wort.
Gestählt durch mein Gespräch im mittleren Westen der Staaten mit Sister Rachel
Powell von den Mormonen, die mich zum Mormonismus zu bekehren suchte und die
ich dann mit Nachhaltigkeitsvisionen zum Schweigen brachte, hob ich anhand
meiner inzwischen fertigen Zeichnung zu einem längeren Vortrag an.
Gemäß der bewährten Regel "Die Gesprächspartner da abholen wo sie
herkommen" hatte ich das Kreissymbol der koreanischen Staatsflagge mit
einem S hineingezeichnet. Das sieht dann aus wie Yin und Yang und kommt
vermutlich auch daher. Hinzu fügte ich auf die eine Seite das Symbol für Männlichkeit,
auf die andere das der Weiblichkeit. Die Erläuterung dazu nur in Kurzfassung,
um nicht den Rahmen zu sprengen: Beide Teile gehören zusammen. Nimmt man eins
weg, ist halt das Ganze zerstört und keine Sau fühlt sich in dieser
gedanklichen Ruine wohl, wie sie also die alten Kirchendeutungen durch das
Ausblenden der weiblichen Seite in die Welt gesetzt hatten.
Dann noch ein kleiner Ausflug zu den matriarchalischen Kulturen, bei denen
die andere Hälfte unterdrückt war und die also auch nicht das Gelbe vom Ei
waren.
Fazit: Wenn wir also das, was ohnehin jeder weiss (dass wir alle von Mutter
und Vater abstammen), auch noch auf einer höheren Ebene für gültig erklären,
also daran auch glauben, dann ist das gut und hilfreich.
Und dann ist es Wurst, ob wir dafür die Church of God, den gesunden
Menschenverstand oder buddhistische Satori- oder Nirwana-Annahmen als
stützendes Dach heranziehen. (das hatte ich glaube ich etwas diplomatischer
ausgedrückt).
Damit waren die beiden nicht so richtig zufrieden, aber zum Glück begann in
der Kirche gerade das Konzert und wir eilten ins Kirchenschiff. Das Konzert war
wundervoll. Junge Leute spielten und sangen mit Leidenschaft und hoher Begabung
klassische und moderne, koreanische und internationale Stücke. Am Ende führten Kinder
ein Ballett auf, es war einfach rührend.
Anschliessend wollten die beiden mich überreden, noch zum Gottesdienst zu
bleiben, die Dame wollte mir auch alles in Englisch ins Ohr flüstern. Ich
lehnte ab und brachte es nicht übers Herz, die wirkliche Begründung zu sagen,
dass ich es für verplemperte Zeit halte, wenn sich Leute, die sich einig sind,
immer wieder die gleichen Dinge sagen. Und dass ich das engl. Wort für
Gottesdienst nicht leiden kann (Worship), weil ich da immer an Kriege und
Kreuzzüge denken muss.
Also schob ich Unpässlichkeit vor, Jetlag, Müdigkeit und so, und da das ja
auch stimmte, konnte ich so mit heiler Haut und einigermaßen gutem Gewissen dem
zweiten Missionierungsversuch meines Lebens entkommen.
Der erste hatte übrigens ein Nachspiel: Ich hatte offenbar bei den Mormonen
eine Visitenkarte hinterlassen - jedenfalls bekam danach meine Familie
jahrelang regelmäßig Besuch aus Amerika. Junge, bestgekleidete
Mormonenjünglinge baten in unserem Haus in Berlin mehrfach um Einlass um zu
missionieren. Zum Glück war ich da nie zu Hause, und meine Familie hat meines
Wissens auch keinen Schaden davongetragen.
Davor gab es noch eine versuchte Missionierung, die hatte ich fast
vergessen: 17 Jahre Marxismus Leninismus. Die war deutlich intensiver, aber die
ist auch nicht angeschlagen bei mir, im Gegenteil. Die hat mich so wütend
gemacht, dass ich 1989 die letzten Staatschefs der DDR mehrfach schriftlich zum
Rücktritt aufgefordert hatte.
Und Ocki ist auch kein Gotteskrieger, er ist politisch sehr engagiert, hat
in seinem Regime tüchtig Prügel bezogen für seinen Mut, sich aufzulehnen und
schließlich die Studentenorganisation für Nachhaltigkeit hier gegründet, die
mich eingeladen hatte. Was das mit der Kirche heute auf sich hatte, werde ich
vielleicht Montag rauskriegen, da machen wir gemeinsam einige Vorträge an
seiner Uni.
Ja, den Rest des Abends werde ich rauszukriegen suchen, wie bedrohlich die
Lage hier ist, 1.3 Millionen Menschen sind schließlich mehr als anno dunnemals
1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin, und nicht alle Umstürze sind
friedlich...
Sonntag, 27.11.
Die
verschiedenen Tempel und historischen Wohnanlagen der Stadt abgelaufen. Viele
Menschen in koreanischen Trachten. Ein Stadtviertel entdeckt, das dem
Plattmachen für Hochhäuser entgangen ist, hunderte Holzhäuser mit den wunderbar
geschwungenen Dächern.
Eine
Ausstellung über König Sejong lüftete mir das Geheimnis des koreanischen
Alphabets: Konsonanten sind im Symbol der Mund- und Zungenstellung
nachempfunden, Vokale leiten sich von Himmel KREIS, Erde HORIZONTALER STRICH
und Mensch VERTIKALER STRICH ab. Der Witz ist nun, dass jede Silbe zu einem
Symbol wird, welches aus drei Grundelementen synthetisiert wird. Damit sind die
Worte, also deren Bilder, optisch viel dichter darstellbar als mit unserem
Alphabet.
König
Sejong regierte vor 500 Jahren auf der Basis von Mitgefühl und Vertrauen. In
was für eine Zeit sind wir nur heute geraten? Das Kastensystem gibt’s nach wie
vor, nur dass heute die oberen Kasten nicht mehr auf die Idee kommen, regelmäßig
grosse Gelage für die Benachteiligten der Gesellschaft zu geben, wie das von
Sejon eingeführt wurde.
Weihnachtsmarkt
am Rathaus: Weisse Plastikzelte mit Getränkeangebot, ein grünes
überdimensionales 10 m hohes Plastik-Räucherstäbchen, soll wohl den Christbaum
symbolisieren, und ein Chor schmetterte Lieder. Falls das Weihnachtslieder
waren, so klangen sie in meinen Ohren doch eher wie Matrosenlieder. Abends
Internet-Telefonie entdeckt. Schön, wieder wenigstens Sprachkontakt in die
Heimat zu haben.
Montag, 28.11.
Mit
Ocki zur Halla University in Wanjung gefahren. Das liegt in der Mitte der
Halbinsel Korea, 2 Stunden südöstlich von Seoul, eine mittlere Stadt mit 200
000 EW. Nach Seoul wirkte es hier wie ausgestorben, kaum Leute zu sehn, die
Sonne schien klar. Ein Vortrag vormittag für Studis der Sozialwissenschaften.
Sie waren sehr offen und interessiert, zwei sprachen mich an, sie wollen ihr
Dorf umstellen. Ich sagte ihnen die ersten 5 Schritte. Koreanische Energie…
Mittag
in der Dozentenmensa Algen mit lila Reis gegessen und noch Reiswasser als
Nachtisch. Das Essen ist meist für unsere Gaumen nicht so der Renner, um es
vorsichtig zu sagen. Schon der Duft… Naja, der Hunger treibts dann rein,
Auswahl gibt’s oft nicht und der Duft ist ohnehin immer da.
Nachmittag
Vortrag vor Naturwissenschaftler. Auch die waren ganz Ohr und fragten dann
nach der Rolle der Politik, Sustainable
Development Goals der Vereinten Nationen, Pariser Klimaabkommen und solche
Dinge. Ich sagte schmunzelnd, dass diese Sonntagsreden den Umschwung nicht
bringen werden, in ihrer Ergebnislosigkeit seit 30 Jahren beschämend für die
Politik sind, und dass es darauf ankommt, dass wir von unten einfach anfangen,
die Gesellschaft umzubauen. Ohne auf Godot zu warten. Weil das einfach mehr
Freude bringt, als kritisch auf die oft impotenten Politiker aller Ebenen zu
schielen und zu hoffen. Auch in dieser Gruppe löste das Nachdenklichkeit und
AHA Erlebnisse aus, wie ich aus den Fragen und Kommentaren ersehen konnte.
Abends
dann mit Ocki in einer typisch koreanischen Kneipe. Schweinefleisch musste ich
Ocki mühsam ausreden, dann gab es Fischsuppe, am Tisch zubereitet über einer
eingelassenen Feuerstelle. Der Duft nach den ungewohnten Gewürzen, nach Algen
und Sauerkohl hob mich fast, dazu das Schlürfen, Spucken und Schmatzen von
allen Seiten, das wohl zum guten Ton gehört. Als Ocki mir dann ein Fischauge
zeigte, es genüsslich in den Mund steckte und in seiner wieder mal
missionarischen Art mich aufforderte, ihm nachzutun, musste ich mich fast
übergeben.
Naja,
wir haben dann noch lange gelacht und Witze gemacht.
Dienstag, 29.11.
Die wichtigste Nachricht: Präsidentin Park, gegen die Samstag 1.3 Millionen
demonstriert hatten, ist bereit, zurückzutreten. Ein grosses Aufatmen im Land,
denn ihr Vater war Diktator in Korea und der war nicht zimperlich, wenn jemand
gegen ihn war. Hier gab es ja seit Ende des 2. Weltkrieges in fast jedem
Jahrzehnt Krieg, gewaltsame Unterdrückung oder handfeste Repressionen gegen das
Volk. Und nun ein Zeichen des Friedens - anstelle von Gewalt, wie bislang
meist.
Ocki tanzte vor Freude und Erleichterung durch den Lotosblumen-Park am
Han-Fluss und wir sangen laut "Freude schöner Götterfunken...".
Zweite schöne Überraschung des Tages: Es gibt im Süden des Landes eine
Kommune, die hat vor, auf neue Energie umzubauen. Die wollen mich gern
einladen, um Erfahrungen auszutauschen. So werde ich kurz vor Weihnachten
Gelegenheit haben, in Korea ganz handfeste gute Vorhaben unterstützen zu
können, worüber ich mich sehr freue.
Heute war ich mit Ocki am Zusammenfluss des nördlichen und südlichen
Han-Flusses, 1,5 Stunden östlich von Seoul. Hier haben wir einen Öko-Park
besucht mit Enten, Reihern, fleißigen Maulwürfen, riesigen Fischen im Fluss,
etwa 80 cm grosse schlanke Raubfische. Darin ist ein Bildungszentrum für den
Umgang mit Wasser, für Kinder sehr schön aufbereitet, mit Wasserspielplatz aber
eben auch wichtigen Infos über Wasser, z.B. den Wasserbedarf für verschiedene
Nahrungsmittel (Fleisch schnitt, wie so oft, mit Abstand am schlechtesten ab)
oder eine chemische und biologische Kläranlage. Über eine schwimmende Brücke,
bunt geschmückt mit Fasanenfedern ging es auf eine Insel im Fluss, auf der ein
zauberhafter secret Garden angelegt war, mit wunderbaren Arrangements von
Bäumen, Felsen, Lotosteichen, Stegen, sparsamen Architekturelementen aus Holz
und Naturstein.
Bedrückend ist, dass wir in der Landschaft wie auch auf dem Bahnhof
schwerbewaffnete Soldaten sahen, jeweils ein Maschinengewehr im Anschlag,
die Gesichter mit Tarnschminke bemalt, also martialisch aussehend. Ocki
verwickelte sie in ein Gespräch - es waren blutjunge freundliche Burschen mit
weichen Gesichtszügen. Sie schieben Wache, weil die Grenze zu Nordkorea nicht
weit ist. Es gibt kein Friedensabkommen zwischen beiden Ländern, und auch das
Waffenstillstandsabkommen wurde von Nordkorea 2013 aufgekündigt. So rechnet man
hier praktisch täglich mit einem möglichen Angriff von Norden, und da man
dort wohl Nuklearwaffen hat, ist die Lage sehr angespannt.
Das Mittagessen war wieder illuster. Ocki stöhnte und ächzte vor Vergnügen
und versuchte, mir auch Sachen aufzudrängen, die ich nicht hinterkriegen
konnte. Ich war wieder mal zwischen Höflichkeit und Abscheu hin und
hergerissen. Einiges war auch sehr lecker, ein Kartoffelpuffer mit Meeresfrüchten
zum Beispiel.
Auf dem Heimweg wollte mich Ocki wieder in die Kirche Gottes abschleppen,
um mir dort die Verkündigung des dritten Zeitalters zu erläutern zu lassen. Ich
sagte ihm, dass ich seine Überzeugungen respektiere aber nicht länger missioniert
werden mag. Ob er irgendwie unter Druck gesetzt wird? Er hat auch oft
Kopfschmerzen. Lacht aber auch endlos viel, scherzt viel, ist ein
Nachhaltigkeits-Visionär und auch publizierender Wissenschaftler. Ich krieg das
noch nicht zusammen, was seine Persönlichkeit ausmacht. Einmal hatte ich in
irgendeinem anderen Zusammenhang den Begriff schizophren erwähnt, da schien er
mir zusammenzuzucken.
Ein bunter Tag, mit Freude, Schmerz, wunderbaren Landschafts- und
Naturbildern am Strom, stinkenden Müllecken, sehr freundlichen Leuten wie dem
Bahnbeamten, der mir aus seinem Office nen Kaffe anschleppte, weil der Automat
kaputt war und auch vielen vielen Elektronik Zombies. Ich schaue ab und an mal,
was die so auf den Smartphones machen. Festhalten: Einige gucken da freiwillig
und ausdauernd Werbespots!!!
Mittwoch, 30.11.
Mittags Treffen mit drei Daeyajon Mitgliedern im Angel in us Cafe an der
Ewha Uni. Über Kooperationsmöglichkeiten mit Netzwerk N sowie
Studienbedingungen in Korea, China und Deutschland ausgetauscht.
Witzig: meine Füsse steckten barfuss in den Bergstiefeln, weil ich die
Socken wegen der Abreise im Koffer vergraben hatte. Es war kalt draussen, und
ich wollte so gern Socken anziehen… Da kamen die Drei und schenkten mir: Zwei
Paar koreanische Socken!
Gemeinsames Mittagessen, im underground Restaurant unter dem Uni-Hügel. Da
meine Hotelrechnung bereits bezahlt war von den netten Gastgeberinnen der
Womans Uni, hatte ich noch einen Packen Geldscheine in der Hosentasche und
konnte die Studis zu einem fulminanten China-Mahl einladen.
Abends Abflug nach Brisbane.
Im Flugzeug überm Äquator zwei Gedichte notiert:
Über Papua
Die Schwarzen wackeln
mit den Titten
Denn oben fliegt ein
Himmelsschlitten
Am Firmamente ruhig hin
Da sitzt der Altsack
Peter drin.
Er denkt an seinen
lieben Bruder
Das Obergeografenluder
Den ehrenwerten Doktor
Bert
Der sonsten alles ihm
erklärt
Doch leider ist er in
der Ferne
Dazwischen hängen
tausend Sterne
So fragt sich Peter
leicht verstört
Wo Neuguinea zugehört.
Gaia, Geliebte
Kühle Hügel, heisse
Quellen
Trockene und feuchte
Stellen
Wüsten wie auch
Meereswellen
Edelsteine,
Lebenszellen
Tief im Innern heisse
Lava
Brodelt manchmal raus
auf Java.
Spiegelglatt die
Solomonen
Wo die Leidenschaften
wohnen
Tief in Okeanos´ Stille
Kocht ein unzähmbarer
Wille
Feuer, Wasser samt
Gewittern
Einen sich in Wonne,
zittern
Glätten später sich die
Wogen
Leuchtet bald ein
Regenbogen
Aus der frischen Erde
spriessen
Wundervoll
Lupinenwiesen
Schmetterlinge Hummeln
schweben
Dankbar für das grosse
Beben
Summen flattern durch
die Düfte
Saugen achtsam in die
Lüfte
Anmut hier Gesänge
dorten
Wasserrauschen,
Blumenborten
Blut strömt kraftvoll
durch Aorten
Satte Wolken Blitze
horten
Donnerstag, 1.12.
Tatsächlich: Brisbane liegt in den Tropen: Ein Konzert unbekannter
Vogelstimmen empfing mich in Palmen, Gummibäumen, Eukalyptusbäumen und anderen
tropischen Gewächsen gleich am FH in Brisbane. Mit dem Mietauto nach Norden. 30
Grad früh um 9, Mittag legte die Temp. dann zu. Linksverkehr, Lenkrad rechts im
Auto, Blinker rechts am Lenker, das hat ne Weile gedauert, bis ichs drauf
hatte, war „nur“ zweimal kurz Geisterfahrer dank des Trappertricks mit dem
Pfeil in der Scheibe, den ich sofort anbrachte. Durch die Glasshouse Mountains
gefahren, in der Landschaft herausragende dunkle steile Vulkanschlote, welche
der Erosion widerstanden haben. Traumstrasse von Maleny nach Mapleton: Eine
Hochstrasse auf dem Kamm einer Bergkette mit Blick hinunter zum Pazifik, an der
zauberhafte kleine Städtchen liegen. Voller blühender Bäume in ungewöhnlichen
Farben: Mimosenbäume mit himmelblauen Blüten, Gummibäume mit leuchtend
warmgelben Blumen als Blüten, so ne Art Zypressen in strahlendem Orangerot, und
Bougainville-artige Bäume in schillerndem lila-zinnoberrot. Stadtpark im Regenwald,
Wasserlilien. Bei einem Ökogärtner Ingwer und Gummibaum-Honig gekauft, um meine
Erkältung aus Korea wegzukriegen.
Im Regenwald Nationalpark Mapleton Falls herumgelaufen. Dreistöckige
Vegetation, Luftwurzeln, Würgefeigen, an die Stämme angedockte Gastpflanzen mit
orchideenartigen Blüten, atemberaubend starke und hohe einzelne Bäume. 400
Baum- und 100 Tierarten solls hier geben, dabei ist das genaugenommen nur ein
jämmerlicher Rest des einst durchgängigen Waldgebietes, der nur wegen seiner
Unzugänglichkeit für Landwirtschaft erhalten geblieben ist.
Ankunft in Noosaville, Gewitter, mein Haus unter Palmen im Blitzlicht,
Vogelkonzert.
Freitag, 2.12.
Morgens
5 Uhr bei 23 Grad ans Meer. Schwarze Felsenküste an der Nordspitze von Noosa
umwandert. Aus dem felsigen Höhenweg mit tropischen Bäumen den türkisfarbenen
Pazifik unten stets im Blick. Ab und an Abstieg zu kleinen Sandbuchten
hinunter. In der Alexandra Bay dann gewagt, ins Meer zu springen, ermutigt
durch etwa zehn Wellenreiter hier, die ihre Beine ja auch im Wasser hängen
hatten, woraus ich schloss, dass es hier keine Haie und Giftquallen gibt. Eine
Stunde Delfin geschwommen, mit den übermannshohen Wellen gebalgt. Als ich
herausstieg, kam ich mit vor wie die in de Bild „Der Jungbrunnen“ auf der
rechten Seite. Also wie neugeboren, wieder voller Kraft und Energie. Yippieh!!!
Jetzt
arbeiten: Habe der Redaktion der Zeitschrift „Umweltpsychologie“ zugesagt, den
programmatischen Beitrag für eine „Transformationspsychologie Nachhaltiger
Entwicklung“ bis zum 12.12. zuzusenden, da ist noch einiges zu tun. Dann warten
noch 7 Interviews auf die Transkription, next week will ich den Kollegen in
Berlin den Auswertungsschlüssel zusenden und dann wollte ich ja noch über
Spiritualität und NH nachdenken…
Werde
mir einen Platz suchen, der gekühlt ist, hier in meinem Haus sind zwar lauter
Ventilatoren, aber 30 Grad bleiben 30 Grad, auch wenn ein Lüftchen geht.
Manuskript
fertiggestellt, Nosaville abgebummelt, abends im Dunkeln verlaufen
Samstag, 3.12.
Wieder
zur Alexandria Bucht gewandert. Ganzen Tag geschwommen, durch die Felsen
gekraxelt, Tiere beobachtet: Einen goldenen Käfer, Brush Turkey (schwarz rot
goldner wilder Truthahn) das Seetier nudibranch (naked gill), Sandspinnen, die
sich im Strand eingraben, Lizards, Bunte Fische in Tide Pools, Muscheln und
Schnecken verschiedener Coleur und Formen. Gedichte aus dem Flugzeug
abgeschrieben, Manuskript den letzten Schliff gegeben.
Noosa
Heads abgebummelt, hübsche Urlauberstadt mit menschlichem Maß am Meer. Bissel
zu Schicki Micki, aber viele Kinder, fröhliche Stimmung.
Abends
durch Noosa Sumpfsiedlung gelaufen. Das ist das Beverly Hills von Noosa, hübsch
aber unwohnlich, jedes Haus mit Wasserzugang, Boot und eingemauert. Wollte noch
auf nen Weihnachtsmarkt in einer Nachbarstadt, aber es zog wieder ein Gewitter
auf. Die Blitze waren so häufig, dass es fast permanent hell war. Gespenstisch.
Regen trommelte in die Palmen.
Sonntag, 2.Advent, 4.12.
Etwa
15 km den Noosa Nationalpark durchwandert, einmal an der Küste entlang bis zur
Ostküste, wo der Sunshinestrand anfängt. An mehreren Buchten geschwommen. Die
Wellen sind überall anders. In einem grossen Tide Pool etwas über den türkis-weiss
tosenden Wellen des Meeres, Harmonika gespielt, ein Weihnachtslied. Gedanken über
Liebe aufgeschrieben.
Eintauchen ins Meer: Wilde Wogen
oben, unten Frieden
Eintauchen ins Satori: Ertrinken in
den Worten derer die dort sind, Sprache bringts nicht rüber. Und doch: dort ist
Frieden.
Eintauchen in die Traumzeit:
Achtsam die Kanäle der Sinne öffnen. Mit den Bäumen atmen. Steine streicheln,
Katzen. Dankbar das Herz öffnen. Für das Rufen der Ewigkeit. Es klingt in den
Vogelsängen un Windkonzerten in den Wäldern der Welt.
Demütig das tun, was Dein Herz nun
sagt:
„Es ist nur eins was zählt: LIEBE“.
Zeitmessung ist hier praktisch: kein Schatten
= 12 Uhr. Schatten so lang wie ich= 9 Uhr vormittag oder 15 Uhr Nachmittag.
Nackt durch die Wellen getobt mit paar Nudisten-Aussis. Ist hier verboten, neulich
wurde zwei nackte Tatteriche von im Busch versteckten Dorfbullen verhaftet,
darüber hat ganz Australien erhitzt debattiert. So war es ein Gebot der
internationalen Solidarität für mich, mich denen splitternackt und
kampfesbewusst an die Seite zu stellen. Wie dereinst im mittleren Westen der
USA, wo ich für die Gleichstellung von Homos demonstrierte und Angst aushalten
musste, dafür einen auf die Mütze zu kriegen von den Gegendemonstranten …
Morgens
im Mangrovenwald bei Noosa herumgelaufen. Die meisten Speisefische /-tiere sind
in ihrem Lebenszyklus von Mangroven abhängig! Wochenmarkt. Am Germany Stand
gabs Bockwurst und Pizza hihi. Riesige Urwaldblumen, wie in Indonesien.
Mailverkehr
erledigt, hat sich einiges angesammelt. Interviews transkribiert. Mit Europa
telefoniert.
Montag, 5. Dezember
Interviews
mit den Bürgermeistern von Colditz, Saerbeck und Delitzsch transkribiert.
Morgens Schwimmen im Strom von Noosaville. Nachmittag Toben in den Wellen.
Flow. Auf den Wellen reiten. Darunter tauchen. Wellen von unten durch die
Taucherbrille angucken. Menschen und brush turkeys beobachten. Sind gar nicht
so verschieden. Bei den Turkeys wühlen die Männchen unermüdlich durch das Laub,
aber nicht auf Nahrungssuche, sondern eher gelangweilt, nur um den Weibchen mit
ihrer Kraft und Ausdauer zu imponieren. Grüne Riesenkrabben in den Tide pools
zwischen Tea Tree Bay und Boiling Pot beobachtet. Junge Frauen, die anmutig
posierend über den Sandstrand tanzten. Über die Sandsteinfelsen gekraxelt,
welche in verschiedenen rot-, ocker- und brauntönen in der Sonne prangten und
mit riesigen rundgelutschten Granitblöcken am Ufer wechselten, die sahen aus
wie versteinerte Wale.
Dienstag, Nikolaus, 6.12.
Nikolausaufmerksamkeiten
in die Welt geschickt, das endlos lange und schwafelige Interview mit
Merkendorfs Bürgermeister Popp transkribiert. Den Vortrag für die University of
Queensland vorbereitet. Das Programm für die Transformationspsychologie
letztmalig überarbeitet und abgesendet. In der Tea Tree Bay schwimmen gewesen.
Über Felsen am Meer entlang gewandert, den boiling pot bewundert. Grüne
Riesenkrebse beobachtet. Im Meer mit wunderbaren pastellfarbenen Fischen
geschwommen. Das Salzwasser trägt so gut, dass man gar nicht viel tun muss um
zu gleiten. Tauchen geht nur wenn man ausatmet. YinYang Bäume aufgenommen. Die
Reise für morgen geplant.
Mittwoch, 7.12.
3
Uhr munter geworden, bis 5 Uhr den Morgen genossen, Frühstück und
zusammenpacken. Zügiger Aufbruch, dennoch in den Morgenstau Brisbanes geraten
und verfahren. Durch den Fluss die Orientierung halten können und durch den
botanischen Garten der Stadt am Fluss spaziert. Araukarien, Jacarandas,
Gummibäume, riesige Palmen verschiedener Arten, Ibisse. Blütenwolken
verschiedener leuchtender Farben.
Der
Vortrag für Mitarbeiter und Doktoranden des Global Change Instituts war gut
besucht und wurde sehr interessiert aufgenommen. Viele bedankten sich für das
Mut machen und die optimistische Sicht. Danach noch ein längeres Gespräch in
kleinerer Runde. Sally, Peta und viele andere sind an weiteren Kontakten und
Austausch interessiert. Peta forscht zu Akzeptanz von CO 2 Verpressung Carbon
capture and storage. Ich war sprachlos, wie sich Wissenschaftler solchen Themen
zuwenden können und gab mein Bestes, sie von dem Irrsinn dieser Idee zu
überzeugen, indem ich sie z.B. auf Plattentektonik verwies, welche JEDE
Gasblase wieder nach oben bringt. Hab ihr von Hermann Scheer erzählt, wie der
im Deutschen Parlament seine Mitparlamentarier überzeugt hatte, dass so etwas
ein Verbrechen gegenüber unseren Enkeln ist, etwa so schlimm wie das
Hinterlassen von Nuklarmüll. Sie meinte, weil es immer noch so viel
Kohlekraftwerke gibt müsse man das erforschen…
Nachmittag
dann das Lone Pine Koala sanctuary besucht. Das war der Renner, alle
australischen Tiere, die wir mit dem Land verbinden, waren da: Koalas, ganz
süss, Kängurus denen babies aus dem beutel äugten, tasmanischer Teufen und
Schnabeltier. Und grosse Echsen, so gross wie ein Unterarm, Schlangen,
kunterbunte Papageien die HELLO und Good bye sagten, sogar im richtigen Moment!
Donnerstag, 8.12.
heute
die Transkriptionen mit den Interviews der BG in Ascha, Dornstedt und
Wunsiedel abgeschlossen. Fazit nach 25 Interviews: ALLE haben gesagt, dass ihr
Engagement ihr eigenes Befinden verbessert, ihnen Spass und Freude bereitet.
Wie kriegen wir diese Info nur unter die Leute? Dann hätten wir mit einem
Schlag anstelle von 3 Millionen Depressiven in Deutschland plus 3 Millionen
Alkoholabhängige 6 Millionen Nachhaltigkeitsengagierte. Wenn das die alle heute
abend wüssten, würde morgen die Transformation beginnen und übermorgen
wären wir fertig. Na schaumer mal, paar Jahre sind ja noch Zeit in diesem
Leben, um ein bisschen mit verschiedenen Möglichkeiten herumzuprobieren. Der
Gunter Pauli schreibt Märchen, andere wie der Weckert machens über tolle
Lieder, das kommt auch gut, nur wissenschaftliche und halbwissenschaftliche
Bücher dringen nicht so durch.
Nachmittag
den Noosa River flussaufwärts in den Regenwald reingefahren. Mit einer Fähre in
den Sandy National Park übergesetzt, wo es sehr einsam war, kaum Leute
getroffen. Eine riesige Sandinsel, 30 km lang, mit hohen Dünen, den Grossteil
der Fläche hat der Regenwald erobert. Im Wald Termitenbauten bewundert und die
starken Bäume und deren Begleitpflanzen wie Vanille-Kletterpflanzen. Am Meer
Muscheln in nie gesehenen Formen und Farben gesammelt, wieder einige Goldkäfer
gefunden und zum Gras gebracht. Christmas Bugs nennt man die hier.
Schwimmen in den Sonnenuntergang, übermannshohe Wellen. Zikaden zirpten
im Wald in der Dämmerung so laut, dass ich erst dachte, mein Auto sei kaputt.
So machte ich die Zündung aus beim Fahren, das Geräusch blieb. Das Auto rollte
aus, das Geräusch blieb. Und siehe da, es waren Zikaden in einem grösseren
Sumpfgelände. Riesige Eukalyptusbäume und Palmen verschiedener Arten.
Meine
Gefühlslage ist seit vielen Tagen wie ein electrical storm, ein permanentes
Blitzgewitter, bei dem der Himmel fast durchgängig erleuchtet ist. Die gabs
hier fast jede der vergangenen Nächte, und die sind in meine Seele geschlüpft.
Also so eine Steigerung des landläufigen Flows.
Freitag, 9.12.
Hab mir heute ein besonderes Abenteuer vorgenommen die Rainbow beach. Dazu
musste ich mein für heute vorgesehenes Tagewerk auf eine Nachtschicht
verschieben. hab also die meinem Projektteam zugesagte Auswertungsmatrix für
die 25 Interviews bis Mitternacht fertiggestellt, dann etwas geschlafen, und
4.10 gab es einen ohrenbetäubenden Lärm vor meinem Fenster. Irgendeine Gruppe
von Tieren ist sich wohl ins Zanken gekommen, so klang es jedenfalls, ein
Kreischen, gegen das Gezänk von Waschweibern als Sinfonie wegkäme. Also war ich
putzmunter, die Sonne ging gerade auf und das passte gut, denn:
Die Rainbowbeach hat natürliche "Eintrittszeiten", bedingt durch
Ebbe und Flut. Eine Steilküste mit Sandsteinfelsen in vielen Farben stürzt
direkt in den Pazifik, oder besser, wird von diesem regelmäßig am Fuß geküsst
und angenagt. Ein schmaler Streifen zum Gehen ist nur bei Ebbe zu betreten, und
die war heute von 7.30 bis 11.30.
Also mit dem Auto 1.5 Stunden durchs "Hinterland" (hier hat
wirklich ein deutsches Wort Eingang in die Geografie der Aussis gefunden,
offenbar war auch mindestens ein deutscher Sträfling bei den ersten Insassen
hier). Eine Abkürzung durch den Regenwald zur Bucht, um nicht durch die
Siedlung zu müssen, erwies sich als nicht gangbar, ich musste reumütig zum Auto
zurück, hatte dadurch aber einen einstündigen Ausflug in den morgendlichen noch
kühlen Wald - 23 Grad.
Eukalyptusriesen, Blick auf eine Binnenlandbucht, in der Haie leben sollen,
aber zum Pazifik führte der Weg nicht, es gibt einfach keinen Weg, weil die
Steilküste über 100 Meter hoch ist, es gibt keinen Abgang, wie ich später von
unten konstatierte.
Also doch in die Siedlung rein und pünktlich 7.30 von da losmarschiert.
Grandiose Farbspiele in den Felsen, und klar voneinander abgesetzte
Farben, leuchtende satte Gelbtöne, Rot in verschiedenen Schattierungen bis hin
zu dunklem Karminrot, dazu Kreideweiss, Ocker, verschiedene Brauntöne. Dazu
bizarre Abbruchsformen, Höhlen, ab und an Palmen und andre Bäume und Sträucher
festgekrallt im Abhang, unten wuchsen meterlange Kriechgewächse am Ufer entlang
mit Pinkfarbenen Blüten, artesische Brunnen ganz unten, Grundwasser tritt aus
dem Sand und läuft zum Meer, wobei sich die Farben der Sandpartikel in dem
Wasserlauf wiederfanden und zauberhafte Formen bildeten, welche sich durch den
Wasserlauf in jedem Moment veränderten. Kristalle leuchteten im Wasser gegen
die Sonne und der Wasserlauf bildete obendrein Wildwasserwellenzöpfe.
Sepiamuscheln aufgesammelt und mit dunkelroter Kreide meinen Körper und das
Gesicht bemalt. Das war ganz spontan nach Indianerart - und dann musste ich
feststellen, dass sich die Farbe nicht abspülen liess, meine Hände waren trotz
eines Badegangs im Meer immer noch dunkelrot, mein Gesicht vermutlich auch,
aber das sah ich zum Glück nicht. Eine Aborigines Frau hat sich hier mit ihrem
Geliebten, dem Regenbogen getroffen, so die Sage. Und der hat ihr zuliebe mit
den schönsten Farben der Traumzeit die Felsen der schnöden Realität
verzaubert.
Schwimmen in den Wellen, Tide pools mit lustigen Fischen mit Bananenschale
bestückt und so die kecken Fischlein aus ihren Schattenhöhlen gelockt. Rosa
Seeanemonen, die ihre Mundöffnungen auf und zu machten beobachtet.
Schließlich gönnte ich mir ein Nickerchen, die Nacht war ja arg kurz. Als ich
munter wurde, hatte ich zwei Probleme: zum einen auf der Brust und dem Bauch
unten Sonnenbrand vom Feinsten, dazwischen ein weisser Streifen, wo die Hände
nach Buddhaart verschränkt waren. Schlimmer aber war das zweite Problem: Es war
11.30 und ich hatte noch 1.5 Stunden Fußmarsch vor mir bis zu der Stelle, wo
der Strand wieder beruhigend breit war. So betete ich , dass die ältere nette
Dame, die mir gestern das Zeitfenster genannt hatte, da etwas Sicherheitspuffer
eingebaut hatte, bis die Flut den Weg vollends versperrt. Und so war es auch -
ich kam noch durch, auch wenn es am Ende des Marsches an einigen Stellen
tatsächlich nur noch 3-5 Meter Luft waren zwischen Felsen und Wellen.
Auf der Rückfahrt die Goldgräberstadt Gympie erkundet und mich wie schon an
vielen anderen Stellen der Welt über den Ehrenhain für gefallene Soldaten
geärgert. Die Menschen unterscheiden nicht zwischen Gründen für Kriege und so
liegen Gefallene aus sogenannten "Kolonialkriegen" sprich
Ausrottungsfeldzüge oder Massaker an menschlichen Schwestern und Brüdern,
etwa im Kampf gegen die Maoris oder Afrikaner, in einer Reihe mit
Gefallenen der Weltkriege. Der Opfer der Kriege, welche durch die Soldaten des
eigenen Landes umgebracht wurden, gedenkt man üblicherweise nicht.
Die Landschaft ist anmutig, friedlich, gefällig in den Landschaftsformen,
Hügel, Bäche, Wälder, Plantagen und in den Städten allerorten die orangerot
blühenden Bäume deren Namen ich nicht kenne.
Samstag, 10.12.
Vormittag durch den Wald an der Landspitze von Noosa heads, Gedanken über
Psychologie der Bäume notiert und aufregende Konstellationen von Baumpaaren und
Familien aufgenommen. Rückweg über Sunshine Beach, Alexandra Bay, Granite
Beach, Tea tree beach, Dolphin point und boiling pot. An der A Bay im Rauschen
von Wind und Wellen über der phantastischen Bucht zwei Gedichte notiert.
FALL IN LOVE
Trunken von den Farben der Blumengirlanden
In den Bäumen, flammend rot, warmgelb, azurblau.
Trunken von den Düften der Jacarandablüten
Und Eukalyptusriesen
Trunken vom glücklichen Zirpen von Zikadenlegionen
Dem Tirillieren der Morgensänger Chöre
Schwebt der Tag schwerelos im Sein
Zwischen den ewigen Wogen des Meeres
Der Gischt und dem Sand am Hang
Vom Regenbogen geküsst
Gibt er dem Regenwald dankbar
Die Krume zurück in den Kreis
Fallen in love schweben gleiten singen
summen wir durch sanft klingende
blumen duft wolken.
ALEXANDRA BAY
Und ewig singt die Melodie von Liebe Wind und Wellen
Am Felsen flirten er und sie die Jubelsänge gellen
Die Bucht dem Meere zugewandt weit offen ihre Flanken
Und in der Mitte feinster Sand drin wühlen seine Pranken
So eint sich was zusamm´ gehört dezent der Dschungel schweiget
Wenn Okeanos Lex betört die Gischt
tost wild und geiget
Sie geigt die Zauberlitanei vom Werden und Vergehen
Vom Harten, Weichen, einerlei - die Zeit scheint still zu stehen
Die Liebe löst die Knoten auf in denen wir gebunden
Und lassen wir ihr freien Lauf so wird die Welt gesunden
Nachmittag zum Cooloba Lake am Oberlauf des Noosa Flusses gefahren, Mangrovenwälder
anschauen. Von Boreen Point noch ein Stück auf einem Waldweg nach Norden. Dort
wurde vor Schlangen und Haien gewarnt, da bin ich lieber wieder umgedreht.
Abends tropische Weihnachtsstimmung in Noosa Heads genossen. Die Menschen
stecken sich Weihnachtsaccessoires, Plüsch-Hirschgeweihe und ähnliche
geschmackvolle Dinge in die Haare, setzen rote Pudelmützen mit Glitzerbommeln
auf und hängen bunt blinkende Kugeln so gross wie Medizinbälle in die Palmen.
Dazu singen sie „I´m – dreaming of a white – christmas“ oder „Dashing through
the snow, in a one horse open sleigh…“
Es ist zum Piepen. Im Park stolperte ich in der Dunkelheit fast über einen
grossen Vierfüsser, erschrak mich ziemlich – er war so gross wie ein Biber.
Daraufhin kletterte das Tier auf einen schlanken Baum in die Höh bis sein
Gesicht auf der Höhe meines Gesichts war – und guckte mich neugierig an, aus
etwa einem Meter Entfernung. Ich fotografierte das neckische Tier und ging
lieber weiter. Ich glaube es war ein tasmanischer Teufel, jedenfalls stell ich
mir die so ähnlich vor.
Dann habe ich noch einen Goldkäfer vom Bordstein hochgenommen. Er kletterte
wieselflink meinen Arm hinauf zur Schulter und flog in die Nacht. Der hatte
wirklich einen Weihnachtszauber in sich.
Sonntag, 3. Advent, 11.12.
Noosa Woods erkundet, zur Mündung des Noosa rivers in den Pazifik gelaufen,
betörende Farben von Wasser, Sand und Himmel – und den blühenden Pflanzen. Dann
die palm grove im Nationalpark durchquert, Urwaldriesen, vernarbte Stämme,
einige von Würgefeigen erdrosselt. Lianen kreuz und quer, viele Palmen in der
mittleren Etage des Waldes. Geckos an den Bäumen. Schwimmen in Meer, Tea Tree
bay, mit zwei grossen Fischen sowie einem ganzen Schwarm kleinerer Fische
durchs Wasser unter den Wellen geglitten. Wellenreiter beobachtet, ein schöner
Sport.
Den ganzen Tag überlegt, was ich in einem Buchbeitrag über Psychologie der
Nachhaltigkeitspolitik, den ich zugesagt hatte, schreiben werde. Diese Politik,
national wie international, ist ja blamabel, beschämend ob ihrer
Ergebnislosigkeit, was kann ich da hilfreiches Psychologisches dazu schreiben? Vielleicht
analog zu den Pionieren der Energiewende das Wohlbefinden beschreiben, das sich
einstellt, wenn man sich für Nachhaltigkeit engagiert? Aber werden das Politiker
lesen? Was motiviert die eigentlich? Machterlangen, Machterhalt über Leichen?
Ich weiss es nicht.
Oder – moment – meine 25 Bürgermeister sind ja auch Politiker, auf
regionaler Ebene. Ich berichte einfach über diese Interviews, zeige Optionen
der Lokalpolitik auf samt den psychologischen Konsequenzen und entwerfe ein
Szenario, das sich entfalten kann, wenn auch die Politiker der anderen Ebene eine Scheibe davon abschneiden.
Als Episode könnte ich die Zusammenarbeit mit Herrmann Scheer bezüglich der
100 Bioenergiedörfer einflechten oder wie wir mit dem Göttinger Team auf der
Renewables Konferenz 2004 unser Bioenergiedorfprojekt gerettet haben, indem wir
hohe Bundespolitiker um Unterstützung ersucht hatten.
Montag, 12.12. Robis Geburtstag und
Abschied von Australien
In der Früh eine Abschiedsrunde durch Palm Grove und Tea tree beach. In der
Bank bei Cora mit dem Hirschgeweih (auf dem Kopf, aus Plüsch, als
Weihnachtsschmuck) noch einige Dollar getauscht und nen Strafzettel bezahlt (60
Dollar, wusste nicht, dass 2P auf dem Schild bedeutet max. 2 Std). In Brisbane
Hamilton an einer Baustelle geparkt und mir den Ort gut eingeprägt. Dann mit
dem Schnellboot den Brisbane river stromaufwärts eine Stunde durch die gesamte
Stadt mäandert. Im Herzen der Stadt genüsslich eine Runde gedreht: Rathaus mit
Ausstellung über die Geschichte der Stadt (die begann, nachdem viele tausend
Jahre Aborigines hier lebten, worüber kaum etwas zu erfahren war) offiziell
1820. Da hat man für besonders schlimme Sträflinge, welche aus England nach
Sydney gebracht worden waren und in Sydneys Strafkolonien weiter schwere
Straftaten begingen, eine ganz schwere Strafe zur Abschreckung gesucht. Das war
der Ort, aus dem Brisbane (so hiess der Gouverneur ausm Süden, der diesen
genialen Einfall hatte) hervorging. Hier kamen also 7 Schwerverbrecher an, in
tropisches Klima, schwül, Mücken, jede Menge giftige Viecher zu Wasser und zu
Lande.
Ja, schwer zu fassen, dass heute hier eine Stadt ist, wie ich sie noch
nirgendwo lebenswerter gesehen habe: Eine aufgeräumte, quirlige Großstadt mit
viel Strassenverkehr und Parkplatzproblemen wie alle Großstädte ABER: Es gibt
hier eine funktionierende Infrastruktur für Nicht-Autofahrer, sprich Fußgänger,
Radfahrer, Sporttreibende aller Sorten. Freie Fahrräder und Busse im Zentrum,
Wundervolle Parkanlagen am Fluss, zwei verspielte Brücken über den Fluss nur
für Radfahrer und Fußgänger, essbare Pflanzen wie in Andernach, überall
Trinkwasseranlagen und pieksaubere Toiletten, liebevolle „Möbilierung“ der
Parks mit beleuchteten Partytischen für alle samt Grillmöglichkeit,
Schach-Tische, keine Verbots- und kaum Verkehrsschilder, man kann über alle
Wiesen und Rasenflächen spazieren, mit Ibissen und Riesenhörnchen flirten, Ball
spielen, herumliegen und knutschen, was immer… Doch die größte Überraschung war
die Street beach: 50 Meter über dem Fluss im Park eine riesige öffentliche
Schwimm und Plantschanlage mit Wasserspielplatz inclusive tanzenden Fontänen,
nachts farbig angestrahlt für die Kleinsten, welche zuhauf quietschvergnügt
darin herumtollten. Abends war ein Weihnachtslauf, bei dem junge Leute in
Weihnachtsmann- oder –frau Ausstattung bestgelaunt, gickernd und singend durch
die Stadt liefen. Die sprangen dann zu mir in die grosse Badewanne, in der ich
mich gerade wie eine Robbe mit Blick auf Fluss und Skyline der Stadt aalte. Der
Renner war ein junger Kerl, der nach Ablegen der Oberkleidung rote seidene
Strümpfe mit Strapsen trug, mit denen er unter grossem Gejubel im Wasser
empfangen wurde. Die Brücken nachts zauberhaft farbig leuchtend. Ich bin die 5
km Runde auf beiden Seiten des Flusses entlang zweimal nacheinander gelaufen,
es war ein Traum. Mit der letzten Fähre kam ich dann Mitternacht wieder im
Hamilton an und dann zwei mittlere Malheurs:
Dienstag, 13.12.
Ich fand mein Auto nicht wieder. Ich hatte mir zwar eingeprägt, wie die
Strasse aussah, da kannte ich alle Details, aber nicht den Weg vom Parkplatz
zur Schiffsstation. Nachts sah auch alles ganz anders aus, und ich hatte mich
auf dem Weg zur Fähre nicht oft genug umgedreht, um mir auch den Weg zu merken
– Rückwärts sieht die Welt ja bekanntlich oft sehr anders aus als wenn man
vorwärts geht. So lief ich eine Stunde durch dieses Stadtviertel, fand eine
Strasse, die sah ähnlich aus, aber da war mein Auto nicht. Ich war wirklich
verzweifelt, denn im Auto war mein ganzes Gepäck – und wie sollte ich das dem
Autoverleih erklären????
Da traf ich John, der fuhr da nachts um 1 entlang, ich winkte ihm, er hielt
an und hörte sich geduldig meine Story an. „Da ist also einer, der nicht weiss,
wo sein Auto steht.“ Zum Glück fanden wir die notwendige gemeinsame Schwingung,
und tatsächlich – wir fanden nach ca. 10 min Herumfahren das Auto.
Dann ein wenig im Auto abgenickt bis zum Sonnenaufgang um 4.30. Da
passierte das zweite Malheur: Ich hatte das Auto von innen elektronisch
verriegelt, damit mir keiner was klaut, während ich schlafe. Erste Amtshandlung
nach dem Munterwerden: Das viele gute Wasser von gestern Nacht aus den
öffentlichen Trinkanlagen Brisbanes ablassen. Also öffnete ich von innen die
Tür – da ging die Alarmanlage an. Mit Blinken, ohrenbetäubendem Hupen und ich
wie vor den Kopf geklopft: Wilde Gedanken rasten durch meinen Kopf: Bildzeitung
Brisbane Schlagzeile: Deutscher Tourist weckt Wohnsiedlung Hamilton …
Ich also halbnackt und ungepinkelt auf den Fahrersitz nach vorn gekrochen
und mit Vollgas, zum Glück sprang die Karre an, losgedüst Richtung Flughafen.
Ich war wirklich hilflos, denn es war ja eine Frage der Zeit, bis mich die
Bullen aus dem Verkehr ziehen würden. Was sollte ich denen nur halbnackt aus
dem wildgewordenen Auto sagen???
Doch das Glück hielt wie meist zu mir als Sonntagskind. Die Alarmanlage
ging nach gefühlt 3 Minuten aus – die längsten 3 Minuten meines Lebens. Beim
nächsten Versuch, zum Wasserlassen auszusteigen, das Gleiche nochmal, aber
jetzt war ich schon etwas gelassener und wechselte das Wohngebiet, in dem ich
die drei Minuten nun verbrachte. Beim nächsten Anhalten wollte ich aus
Verzweiflung erst mal ausm Fenster pinkeln oder versuchen aus dem Kofferraum
das Auto unauffällig zu verlassen, doch verwarf ich beide Optionen. Der
Gedanke, dass der Alarm losgeht, während ich im Kofferraum festklemme war nicht
sonderlich erbaulich. Oder dass mich einer beim Pinkeln fotografiert und mich
dann mit dem Foto erpresst…
So tat ich das, was mir schon gelegentlich geholfen hat und siehe da: es
half auch hier: Ich drückte von innen auf dem Schlüssel die Entriegelung des
Autos, es klickte - und die Welt war wieder in Ordnung.
Hier im Flughafen habe ich mit längeren Lachattacken beim Aufschreiben
dieser Zeilen die Leute unterhalten. Nun heb ich ab nach Seoul.
Dienstag Mittag im Flieger über dem
Äquator
Der Kreis schließt sich zu den Gedanken am Anfang der Reise: Emotionen und
spirituelle Dinge sind es meines Erachtens, die in unserer Kultur zu wenig
gepflegt werden – und hier scheint mir der Ansatzpunkt für neue Wege zu liegen.
Habe über dem Äquator den Film „Hannah Arendt“ gesehen. Wenn der Film sie
richtig widergespiegelt hat, kam sie zum Schluss, dass Eichman unfähig war zu
denken und darin die Ursache des Bösen der Nazizeit zu suchen sei. Weil er
nicht klar denken konnte, so Arendt, war er nicht in der Lage, ethische
Maßstäbe zu reflektieren und hat sich so auf die bürokratische Maschinerie,
Befehlserfüllung, und dergleichen berufen können. Ich glaube, die Diagnose
stimmt nicht. Das kalte Denken hatte er wie auch viele andere Naziführer sehr
gut drauf, denn ohne Denken kriegt man die Logistik von Auschwitz nicht
zustande. Was verkrüppelt war bei diesen Leuten waren emotionale, spirituelle
und Sinnaspekte. Wer emotional alphabetisiert ist, kann keine anderen Wesen
umbringen – PUNKT.
Nun ist das keine akademische Spitzfindigkeit, hier treffende Ursachen zu
finden, denn unsere Zeit ist nicht so verschieden von 1933-1945. Heute sind wir
mitten im ökologischen Niedergang und in China werden nach meiner Kenntnis in
der gleichen Grössenordnung wie damals Menschen umgebracht. Wie damals sprechen
wir auch heute kaum über solche Dinge, welche zu ungeheuerlich scheinen, um sie
für glaubwürdig zu halten. Die grosse und grundlegende Frage, wie es sein kann,
dass eine „Kultur“ die Selbstauslöschung vorantreibt, und wie wir diese
Teufelskreise verlassen können, ist immer noch ungelöst.
Ich werde mit Maike, meiner Grosskusine, Kontakt aufnehmen und ihre
Masterarbeit über Hannah Arendt lesen. Maike hat ihren Mastertitel nicht
bekommen, weil ein Gutachter die Arbeit für ungenügend hielt. Offenbar ist Frau
Arendt bis heute eine umstrittene Person – und ich will versuchen, mehr darüber
herauszufinden. Vielleicht kann ich Maike unterstützen und auch für die grosse
Frage neue Anregungen gewinnen, wie wir neue Wege in eine liebevolle Zukunft
gangbar machen können.
Auf den Punkt gebracht, so glaube ich, brauchen wir Herz, Mut und Verstand,
und zwar in dieser Reihenfolge. Denn derzeit wird nur Verstand systematisch
gefördert, Herz wird zumindest in der informellen Bildung traditionell in
kleinen sozialen Gruppen wie Familien und Freundeskreisen gefördert, und Mut
erfährt nur sporadisch eine Bekräftigung, hier ist der größte „Nachholbedarf“. Und
der einzige mir bislang bekannte funktionierende Weg zur Verbreitung von Mut
und Herz ist das Selber Leben und abstrahlen.
Mittwoch, 14.12.
Heute war ich eingeladen nach Ansan, zwei Stunden südlich von Seoul, von
der Korea Bioenergy association und dem Gouverneur der Provinz Geonggi-do (11
Mio Einwohner). Ca. 50 Leute aus Lokalpolitik und Verwaltung der Provinz waren
da, auch Parlamentsabgeordnete. Der Vortrag wurde wieder begeistert aufgenommen,
Ocki hat glaube ich ganz gut übersetzt, und ich habe meine Visionen für die
künftige Energieversorgung auch jenseits der Bioenergie vorstellen können.
Die Diskussion war sehr lebhaft und drehte sich darum, wie man die hiesigen
Klimaschutzziele auch umsetzen kann. Ich habe das Prosim100
Kalkulationsprogramm vorgestellt, welches genau dieser Umsetzung dient. Danach
war ich auf dem Namdaemong Markt, 10.000 Verkaufstände, aber was ich suchte
(Butter und Käse fürs Frühstück) habe ich nicht bekommen. Dafür noch ein
paar Mitbringsel.
Jetzt bereite ich noch das Gespräch mit der Quantenphysikerin und Daeyajon
Präsidentin Frau Lee morgen vor, sie hat mich zum Mittagessen hier an der Ewha
Womans University eingeladen. Ich hab ihr von HP Dürr erzählt und der Beziehung
zwischen Psychologie, klassischer mechanischer und der Quantenphysik. Wie
können wir die Psychologie vom Kopf auf die Beine stellen - eine alte Frage von
mir, vielleicht kommen wir morgen etwas weiter.
Donnerstag, 15.12.
Früh das Gespräch mit Frau Lee vorbereitet. Habe die Parallelen der
Entwicklung der Disziplinen von Physik und Psychologie notiert, inwiefern die
Psychologie der Physik seit 1960 hoffnungslos hinterherhinkt und dass die
modernen Physiker die ich kenne, fast alle spirituell drauf sind und viele sich
für globale Verbesserungen einsetzen. Zwei Hauptfragen: Was kann die
Psychologie von der Physik mitnehmen, welche ja die verstaubte Newtonsche
Fassung überwunden hat, während die Psychologie noch in der Billardkugel
Kausalität verhaftet ist. Wie kann die Psychologie, jedenfalls diejenigen Teile
die sich mit Mitwelt und Nachhaltigkeit befassen, die Bestrebungen der
engagierten Physiker wie HP Dürr unterstützen? Können wir uns gegenseitig
bereichern?
Nachdem ich vormittag noch auf den Namdong Berg mit dem Aussichtsturm –
grandioser Blick über die Stadt - geklettert bin, traf ich dann um 12 Frau Lee.
Anfangs legte ich ihr meine Überlegungen dar, die sie interessiert aufnahm.
Meine Thesen der Psychologie der Nachhaltigkeit fand sie plausibel. Dann
erklärte sie mir ihre Sicht der Physik. Seit Einstein haben wir ein Weltbild
mit vier Dimensionen, mit dem die meisten Physiker seit 1960 operieren, das
sich aber der Vorstellbarkeit mit unserer Wahrnehmung entzieht. So wie ein
dreidimensionaler Körper wie eine Hand bei Projektion auf zwei Dimensionen dort
nur als Schatten wahrnehmbar ist, also notwendig eine Dimension verliert und
somit die Ganzheit leidet, so ist die Realität eben vierdimensional, aber wir
können nur drei Dimensionen wahrnehmen und kriegen deshalb die Realität auch
nur als Schatten mit. Hier versagt also
der Alltagsverstand kläglich, und auch die Wissenscshaft Physik kann sich nur
bedingt und auf sehr abstrakte Weise dieser komplexen Realität annähern. Meine
Vermutung, dass wir es aber spüren können, bejahte Frau Lee, dass wir also
jenseits des Rationalen durchaus eine Vorstellung von den Zusammenhängen
entwickeln können.
Nun frohlockte ich, eine Brücke bauen zu können zwischen der neuen Physik,
der Spiritualität, der Psychologie mit den spirituellen Potentialen und dem
Engagement von Physikern für globale Verantwortung, mir schien nun alles klar
auf der Hand zu liegen. So fragte ich sie, ob sie diesen Zusammenhang in ihrem
Leben als Physikerin, die sich als Präsidentin von Deajayon für globale Dinge
engagiert - so wahrnimmt. Doch nun die Wende: Sie konnte das nicht bestätigen,
sah ihre Tätigkeit als Physikdozentin und ihr Engagement für die
Studentenvereinigung als voneinender losgelöste Aspekte ihres Lebens an, die
nichts miteinander zu tun hätten.
Und nun liess sie die Katze aus dem Sack und fing an mit der Missionierung
für die Church of God. Ich wusste zwar, dass sie da auch dabei ist, hatte aber
nicht geglaubt, dass sie den Bogen dazu schlägt. Also erläuterte sie mir wieder
die Bibelworte von der Ursünde der Ungläubigen welche zur Strafe ins Straflager
Erde geschickt sind und dort sterben müssen und sich nur in die Ewigkeit
zurückverdienen können, wenn sie Fleisch und Blut von Christus in Form von Brot
und Wein aus der Hand eines Priesters zu sich nehmen, sprich, sich in die
Church of God einordnen.
Ich versuchte, mehrmals den Bogen zurück zu dem Gespräch davor zu schlagen,
dass man die Ewigkeit als Seele ja auch aufgrund rein physikalischer Annahmen
mit der vierten Dimension erlangen könne oder eben durch spirituelle
Vereinigung mit und Engagement für die Schöpfung, sprich durch Sinn und Liebe
finden könne. Doch darauf liess sie sich nicht ein und kam schließlich zur
Frage, ob sie mir jemanden von Ihrer Kirche in Deutschland auf den Hals hetzen
dürfe. Ich blieb sachlich, sagte aber deutlich, dass ich nicht daran glaube,
dass die Bibel von Gott verfasst wurde sondern von Menschen und daher für mich
keine absolute Wahrheit ist sondern nur ein Angebot sein kann. Dass ich
Missionierungsversuchen, die mit Druck eine Auffassung anderen überhelfen
wollen, sehr allergisch gegenüberstehe, erwähnte die gescheiterten
Missionierungen durch Staatsbürgerkunde in der DDR sowie durch die Mormonen.
Dass sich angemessene Weltauffassungen nicht mit Druck durchsetzen lassen.
Daraufhin beendeten wir recht abrupt das Gespräch. Ihre Geschenke, zwei Tassen
und ein Badetuch mit Inschriften der Church of God, warf ich vor Ärger gleich
um die Ecke in die Mülltonne.
Die Fragen, die ich noch hätte stellen mögen, wie sie diese verschiedenen
drei Rollen in sich vereint und was sie motiviert, für die Church of God zu
missionieren, habe ich aus Takt nicht gestellt. Immerhin hat sie mich an ihre
Uni eingeladen und auch die Kosten für das Gästehaus übernommen. Doch leider
hat das nun durch dieses letzte Gespräch ein Geschmäckle.
Nachmittag war ich dann nochmal in Ruhe auf dem Berg und bin ein wenig
durch die Stadt gelaufen, aber es war hundekalt, so dass ich nun glücklich im
überheizten Zimmer des Gästehauses der Rückkehr nach Hause entgegenfiebere
Habe heute noch den 50 Lokalpolitikern die versprochenen Unterlagen per
mail zugesandt, sie interessierten sich auch für das 100prosim Programm von
Herrn Schmidt Kanefendt, was mich sehr gefreut hat.
Es war insgesamt eine sehr fruchtbare Reise mit vielen neuen Erfahrungen
und Eindrücken, welche ich erst noch ein wenig werde verdauen müssen. Die
positiven Rückmeldungen von den Teilnehmern der Seminare und Vorträge an den
Unis zeigen, wie wichtig ist, dass wir uns gegenseitig Mut machen bei der
anstehenden Transformation.
Freitag, 16.12. Abflug von Seoul
Morgens mit Ocki im Angel in us Cafe getroffen, über Projekte gesprochen –
Übersetzung Kraft der Vision, Pioniere der Energiewende, 100prosim Programm für
koreanische Regionen einsetzen.
Zur Church if God habe ich offen gefragt und Ocki hat offen geantwortet:
Seit wann CoG Mitglied? 2001
Finanzierung der CoG? Über Mitgliedsbeiträge von 10% des Einkommens!
Transparenz der Einnahmen/Ausgaben der CoG? Ja, wäre für Mitglieder transparent.
Seit wann Engagement für Daeyajon? Seit 2009
Wieviel Mitglieder des Vorstandes von Daeyajon sind in CoG? Angeblich nur
die zwei, von denen ich weiss, da schien er mir ein wenig rumzueiern.
Was motiviert Dich zu missionieren? Menschen eine Hilfe zu geben, die Krebs
haben, Angst vorm Tod haben, seine Mutter, Tochter. Seine Frau steht CoG
kritisch gegenüber.
Also: Für die Verbesserung der konkreten Welt engagiert er sich im Rahmen
der Studentenorganisation, für Fragen des Seelenheils und der Rettung in die
Ewigkeit ist er in dieser Kirche.
Er fragte mich, was mir wichtiger sei: Die Verbesserung der äußeren Welt
oder mein persönliches Seelenheil – und hoffte wohl, mich damit nun zu kriegen.
Ich hab ihm die Wichtung von ego- sozial- und biosphärischer Wertepräferenz
genannt und dass die grösseren Kontexte die jeweiligen Teilmengen
einschliessen, und ich daher die globalen Anliegen über die individuellen
Wünsche stelle. Deren Erfüllung fällt als Nebenprodukt beim Engagement für die
grösseren Anliegen ab, wenn man auf die Evolution vertraut. Damit war das Gespräch hierzu beendet. Ich
hab Ocki noch gespiegelt, dass die Missionierung für mich unangenehm war und er
hat sich entschuldigt.
Message aus der Geschichte für mich: Noch achtsamer sein, andere nicht unter
Druck zu setzen, so sehr ich mich auch im Recht sehen mag.
Flug von Seoul nach Mailand, zwölf Stunden.
In Mailand habe ich mir den wirklich wunderschönen feingliedrigen Dom
angeschaut, die Skulpturen an den Fassaden sowie die teils riesigen Fensteröffnungen
sehen federleicht aus als könnten sie gleich losschweben – und sind doch aus
Stein. Im Leonarda da Vinci Museum ein wenig der Seele dieses tollen Mannes
nachzuspüren gesucht. Dass er seine kreativen Fähigkeiten auch in den Dienst
von Kriegsmaschinen gestellt hatte, hat mich schon immer gewundert. Er hatte
dies getan als Kompromiss, um die anderen Dinge finanzieren zu können, er war
Pazifist, wie ich hier erfuhr. Die grosse Frage, wie weit man seine Ethik
einschränken darf, um sein Brot verdienen zu können, gibt’s also schon lange.
Die Innenstadt um den Dom herum ist prachtvoll anzuschauen, Bürgersteige
mit farbigen Natursteinen vieler Arten belegt, mondäne Schaufenster und
Kauftempel. Dennoch sprach mich die Stadt nicht an. Wenig Grünflächen, Konsumfetischismus
und viele viele Obdachlose, auch hier im Flughafen liegen überall Menschen ohne
Wohnung herum.
Samstag, 17.12.
Da ich für fünf Stunden von Null bis 5 Uhr auch kein Hotel genommen habe,
kann ich ein wenig mitfühlen, wie es diesen Personen so Nacht für Nacht geht.
Hab die Zeit genutzt, um mit der Auswertung der Bürgermeisterinterviews zu
starten. Hab mir dazu ein riesiges Plakat von der Wand hier genommen mit einer
wunderbar weissen Rückseite, und die ist nun schon halb voll mit den spannenden
Ergebnissen der Befragung. Gleich geht’s nach Berlin, dann sind die vier
verrückten Wochen erstmal um. Mal schauen, was aus den vielen Gesprächen mit
den Leuten dort, aber auch aus den intensiven Kontakten in diesen vier Wochen
mit lieben Menschen in der Heimat hervorwächst.