Vortrags- und Studienreise nach Südkorea und Australien, 21.11.2016 bis 17.12.2016

Montag, 21.11.

Abends Abflug von Tegel, Dienstag 17 Uhr in Seoul gelandet, von zwei Studierenden abgeholt und in ein schönes Hotel begleitet worden.  

 

Mittwoch 23.11. (Rückblick vom Donnerstag)

Hier ist heute eine Exkursion angesagt zu Brennpunkten in Seoul. Ein Stadtbezirk ist Transition town, inspiriert durch zwei Frauen, die nach Fukushima wild entschlossen waren, nicht länger zuzuschauen, wie die Welt zu Tode geritten wird, sie haben gestern davon erzählt, das Herz war ganz warm. Genauso wie bei jungen Frauen aus Kathmandu/Nepal und Bogor/Indonesien, welche mit unglaublicher Kreativität Sensibilität und Emotionen vor allem bei Kindern und jungen Leuten wachrufen. Sie schminken z.B. Kinder als Tiere des Regenwaldes, und die spielen dann gemeinsam miteinander. Sie laden Eltern ein, mit ihren Kindern aufregende Dinge zu basteln, aus Naturstoffen Energie einzufangen zum Beispiel, Wasserräder bauen, anstatt auf ihren Handies rumzuklimpern. An vielen Stellen der Welt kommt die Idee hoch, dass das gemeinsame Miteinander für ein neues Leben danach nicht nur irgendwie geht, sondern einfach mehr Freude bringt als das gängige materielle Rumgewurstel.

Mir fällt grad auf: Natürlich gab es gestern auch viele männliche Redner. Die haben aber fast durchgängig über abstrakte Dinge geredet (die 17 sustainable development Goals und solcherlei Dinge) und sich mit allgemeinen Aufrufen an die Menschheit und die anwesenden Studierenden begnügt. Wir müssen nun endlich mal... Armut mitigieren, Hunger eindämmen, Temperaturanstieg einschränken... ABER WIE? Das überlassen die alten Herren dann den jungen Leuten. Das hören wir nun seit 30 Jahren, und viele Trends laufen derweilen weiter munter in die falsche Richtung...

Zinsen, Wirtschaftswachstum, Medien- und Industriekonsortien und Interessenskartelle als mögliche Treiber des Niedergangs wurden kaum thematisiert bis auf die Hinweise am Rande meines Vortrages.

Ich habe im Schlusspanel die Studis ermutigt, ihrem Gewissen zu folgen statt gängiger Karriereplanung, wirklich neue Wege zu gehen, Emotionen und spirituelle Dinge zu kultivieren und mit dem eher männlich geprägten kühlen Kopf zusammenzubringen.

Die Zuwendung vieler junger Leute nach dem Kongress, viele baten um ein Foto mit sich und um weitere Infos, zeigte, dass vielleicht einiges auf guten Boden kam.

Donnerstag, 24.11.

Morgens fuhren wir in einem Bus mit den auswärtigen "Delegierten" aus Nepal, Indonesien, China durchs sonnige Land zu einer Firma, welche LED Lampen international vertreibt. Diese Lampen reduzieren ja den Stromverbrauch um ca. 80 % und sind somit für die Effizienzschiene der Nachhaltigkeit eine tolle Sache, wenn man sich die Lichtlandkarte von Google Earth vorstellt...

Entsprechend wirbt die Firma mit ökologischen Argumenten. Gleichzeitig zeigten die Manager denn einen riesigen Golfplatz, der mit LEDs statt herkömmlichen Leuchtmitteln beleuchtet war. Der Suffizienzaspekt ist also noch nicht recht in den Köpfen angekommen und ich verkniff mir die Frage nach Rebound Effekten, verfügbaren Gesamtenergiemengen und deren Aufteilung sowie, ob man vielleicht auch zufrieden sein kann, wenn man bei Tageslicht golft... Die Augen der Manager leuchteten so begeistert - und die Transformation geht eben Schritt für Schritt...

Dann waren wir im Rathaus einer 1 Millionen Stadt im Grossraum Seoul, das komplett mit den tollen LEDs ausgestattet ist. Die Koreaner sind ziemlich locker drauf und führten uns ins Dienstzimmer des Bürgermeisters, wo wir alle spasseshalber mal in dessen Sessel Platz nahmen (er war gerade auf Wahlkampf, will Präsident von Korea werden) und rumalberten. Der Umweltminister aus Indonesien mimte den bierernsten obwohl er sich über das Interieur auf dem Schreibtisch köstlich amüsierte und ich hob einen grosses Teeglas, welches an einen Bierhumpen erinnerte und liess meine Assoziation "Oktoberfest" raus (obwohl ich da nur einmal war und mein Literchen nicht geschafft hatte) - da lagen die anderen flach vor Lachen. Die bayrische Saufkultur scheint in der Welt das Bild von uns Deutschen recht ordentlich mitzuprägen. Ein indischer UNO Beamter lobte Deutschland gestern allerdings auch wegen unserer Rolle bei der Energiewende, es gibt also auch noch andere Dinge, die man mit Deutschland verbindet...

Essen war dann ausserhalb der Stadt, wir mussten eine Stunde Autobahn fahren, um den Hochhäusern des 20 MIO Grossraums Seoul zu entrinnen. Ein Fair trade Lokal, kochen taten wir Gäste selbst mit einem Topf, der auf einer in der Tischplatte eingelassenen Kochplatte  beheizt wurde, jeder konnte mitrühren und fachsimpeln, was da so reinkommt von den vielen Tellern auf dem Tisch. Derweilen belatscherte uns von der Seite ein Fabrikant von Ökohühnern, der hatte vermutlich das Gastmahl gesponsert...

Nachmittag ging es dann zurück in die Stadt, ich glaube das hat zwei Stunden durchs Gewühle der Metropole gedauert zum Naemdongdingsbums Markt - die Namen klingen alle so ähnlich für unsere Ohren und merken lassen sie sich schlecht, weil die Schilderwälder sich uns nicht erschliessen. Am Rande - die koreanische Schrift sieht zwar für uns dem Chinesischen ähnlich, hat aber nur 24 Buchstaben, ist also unserer Schrift strukturell sehr ähnlich.  Ach und Strassennamen und Hausnummern gibt es hier nicht, man muss höllisch aufpassen, dass man sich nicht verläuft und wenigstens den Hotelnamen in koreanischer Schrift mithat...

Abends schleppte mich dann Ocki, mein koreanischer Freund, in die Church of God, welche gerade von Queen Elisabeth eine Charity Auszeichnung erhalten hat. Man platzte fast vor Stolz und statt einer Predigt wurde ein bombastischer Film von der Preisverleihung im Buckinghampalast gezeigt, da rasselte es nur so vor Ehrenketten und steifer Förmlichkeit der enlischen Lords, der Ehrenwachen und der wie meist himmelblau gekleideten eleganten über 90 (?) jährigen freundlich dreinschauenden englichen Queen. Die überwiegend weiblichen Kirchenbesucher hatten weisse gestickte Kopftücher auf und schienen schwer gerührt zu sein... Ja wer wird schon von der Queen geehrt...

Als exotischster Gast im Gotteshaus wurde ich dann um ein Interview gebeten, wie ich das so finde. Die Kamera lief und ich konnte vollen Herzens das soziale Engagement der Kirche hochleben lassen, indem ich das mit Nachhaltigkeit und dem mir vertrauten Vokabular von Potentialentfaltung und deren allgemeinem Nutzen fürs Universum einleitete. Dann musste ich natürlich den Bogen zu der konkreten Kirche schlagen und mir fiel der Name der Kirche nicht ein, der ich gerade lobhudelte. OJE, mir ging die Story von einem US Präsidenten durch die Birne, der den Namen des Landes verwechselt hatte, in dem er sich gerade aufhielt... Siedend heiss guckte ich, ob ich den Namen irgendwo erspähen konnte, aber da waren nur unverständliche Schriftzeichen... Da zischte mir Ocki von der Seite - zum Glück in mein gutes rechtes Ohr - "CHURCH OF GOD" zu und die Situation war gerettet.

Heute ziehe ich um ins Gästehaus der Ewha Womans University (nachdem ich mich vergewissert habe, dass die auch Männer da zulassen). Dort und an Ockis Halla University werde ich die nächsten Tage weitere Vorträge halten.

Freitag, 25.11.

Ein Video über lachende Buddhisten angesehen.  Das hat, die Geschichte der zwei Mönche in der Provence „DAS IST EIN BAUM“, bekräftigend, die folgenden Gedanken ausgelöst.

Sobald wir beginnen zu denken und zu sprechen, zerhacken wir die Realität in lauter Einzelteile. Das geht nicht anders, weil wir uns mitteilen wollen und nicht anders können als über Worte die Wirklichkeit in Schubkästen zu packen (BAUM, Behinderter). Und es ist auch nicht weiter schlimm, solange wir uns bewusst sind, dass es eine Wirklichkeit hinter den dürren Worten gibt, die viel viel reichhaltiger und farbiger und aufregender ist als das, was wir in Worten davon einfangen können.

Wenn wir aber unsere Widerspiegelung der Welt mit dem Filter der Worte - der Welt selbst gleichsetzen, dann ist das schlimm, oder besser traurig, weil dann die wahrgenommene Welt farblos, eintönig, langweilig wird. Wir stereotypisieren, was wir wahrnehmen, daraus entstehen Vorurteile und die verändern dann wirklich die Realität hin zu Gleichförmigkeit und Langeweile.

Ich hatte in diesem Jahr eine spirituelle Erfahrung, an einem See sitzend bei Regen, als es mir gelang, Denken und Worte zu vertreiben und nur wahrzunehmen. Da passierte das, was in dem Video mit den lachenden Menschen vermutlich passiert ist: Ich merkte, um wieviel reicher und schöner die Welt ist als im "normalen" verbalen Wortschlangenbrei.

Das war auch die Lösung der Frage, die mich seit 1970 beschäftigt. Es ist die Frage nach dem Wesen der Liebe, warum Menschen scheinbar irrational oft ein Leben lang immer wieder nach seelischer und körperlicher Vereinigung streben. Das konnte ich nicht auflösen - und nun scheint mir endlich die Antwort auf  der Hand zu liegen.

Der Zustand, in den wir Menschen bei der Vereinigung kommen, ist ein Zustand jenseits der durch Worte zerhackstückten Welt, in der wir einen Zipfel der Ewigkeit, der Glückseligkeit, des Aufgehobenseins im Kosmos erleben. Wir fühlen uns dann (meist nur recht kurz) zu Hause im Universum, und suchen diesen Zustand dann immer wieder zu erreichen, wissen nicht recht warum - oder können es jedenfalls nicht in Balance mit der Verbal-Welt bringen. Deswegen sprechen wir bei der Vereinigung nicht, deswegen lachen die Menschen in dem Video anstatt Fragen zu stellen und die das Video anschauen sind bezaubert, weil sie einen Zipfel dieses Gefühls miterleben dürfen.

Es ist schwierig in Worten auszudrücken, wenn man einen Zustand jenseits von Worten ausdrücken möchte, eigentlich geht das gar nicht.

Freitag abend, bin jetzt in der Ewha Women University im Gästehaus, und hier ist eine ganz besondere Energie, die ist richtig greifbar. Glockenhelles Lachen allover the Campus, die Bäume und Büsche scheinen sich hier auch besonders wohl zu fühlen, Abendsonne hat hier eine richtige Zauberstimmung in den blutroten jap. Fächerahornbäumen entfacht.

Eine wunderbare Harmonie. Und mit energischen Frauen hier geschwätzt, die haben Ocki und mich in der Schnelligkeit und emotionalen Tiefe des Austausches einfach erdrückt, gut dass wir zu zweit waren und uns in Jokes (über die uns viel zu kleinen FilzSchuhe im UNi Museum beispielsweise) und langen Lachanfällen aus der Affäre ziehen konnten.

Samstag, 26.11.

irgendwas ist immer: Heute mehr als 1.3 Millionen wütende Koreaner auf Demo gegen ihre korrupte Präsidentin.

http://www.koreatimes.co.kr/www/news/nation/2016/11/116_218977.html

Aber der Reihe nach: Nachts nicht besonders geschlafen, immer noch Jetlag und dazu Krawall aus der Nachbarwohnung, wo zwei angetrunkene englische Damen herumkrakeelten. Heute früh bissel gearbeitet, Gemeinwohlökonomie-report für die e-fect Genossenschaft überarbeitet. Nach dem Frühstück im Koreanischen Nationalmuseum erfahren dürfen, dass wir Europäer im Mittelalter das gleiche gemacht haben, was wir heute gerne den Asiaten vorwerfen: Abgucken hiess das in der Schulzeit. In Asien hatte man Buchdruck, Papier- und Porzellanherstellung u.ä. bereits erfunden, dann haben es wir Europäer  es abgeguckt und tun seitdem so, als hätte einer von uns wie Gutenberg sich das ausgedacht...

Also etwas mehr Toleranz und Freude wenn sich gute Gedanken verbreiten anstatt Patentschutz, das wärs!

Das Beste im Museum waren allerdings nicht die toten Ausstellungsstücke sondern die lebenden Kinder. Die tobten ausgelassen in den Räumen herum und alle freuten sich mit. Und draussen fing es an zu schneien, die Flocken gross wie Haselnüsse.

Dann traf ich Ocki. Wieder in der Church of God, wohin er mich zu einem Konzert eingeladen hatte. Dass er mich vorher zu einem Jünger der Kirche konvertieren zu bekehren beabsichtigte, hatte er mir nicht so richtig gesagt. Er lud mich in ein Separeé der Kirche ein, darin gabs Gebäck und Tee und eine sehr freundliche Dame, bewaffnet mit der Bibel. Sie zeigten mir erst einen Film, in dem lauter tolle Anhänger der Kirche aus aller Welt im Interview sagten, dass Gott eigentlich eine Frau ist, bzw. dass der männliche Gott zumindest eine tolle Frau hatte (die ihm sagte, wo es lang geht).

Seit dieser Erkenntnis, gefördert durch die richtige Bibeldeutung seitens der Church of God, sei nun das Weltbild geradegerückt und man könne sich erst nun als Mensch in der Welt zu Hause fühlen.

Danach lasen mir beide in einer normalen Bibel einige Stellen vor, die diese Sicht eines weiblichen oder zumindest androgynen Gottes plausibel machten.

Ich war sofort überzeugt. Was ich bislang aus Kirchenkreisen über den Zeugungsvorgang von Jesus gehört hatte und warum da ständig von Vater und Sohn aber nie von Mutter und Tochter die Rede ist, fand ich schon immer extrem schräg. Also teilte ich den beiden mit, dass ich das auch so sehe.

Auf Basis dieser Übereinkunft wollte ich nun zum wissenschaftlichen Teil übergehen, zur Frage, warum die anderen Kirchenströmungen die patriarchische Auslegung der Bibel bevorzugen. Ich hatte so Macht- und Zinsfragen im Visier und freute mich richtig auf den Fortgang des Gespräches, aber der war leider so von Ocki und der Missionarin nicht vorgesehen. 

Ocki trat mich also ans Schienbein, indem er mich darauf verwies, dass ich während die Missionarin sprach, etwas auf meinen Zeichenblock gemalt hatte, und während er gesprochen hatte, nix gemalt hatte. Dass ich also der Dame nicht 100% Aufmerksamkeit geschenkt hatte, ihm aber schon.

Nun wurde ich etwas ärgerlich, weil ich nicht wusste, an welcher Stelle ich anfangen sollte, mich aufzuregen: Dass Ocki mir unterstellte, beim Zuhören nicht gleichzeitig einen Kreis malen zu können, beim Vorwurf der Gender- Incorrectness oder darüber, dass mir beide die ersten dreißig Minuten keine Gelegenheit gegeben hatten, mal ein Feedback zu geben.

Aber geduldig wie ich bin, beschloss ich, mich gar nicht zu ärgern sonder bat formell ums Wort.

Gestählt durch mein Gespräch im mittleren Westen der Staaten mit Sister Rachel Powell von den Mormonen, die mich zum Mormonismus zu bekehren suchte und die ich dann mit Nachhaltigkeitsvisionen zum Schweigen brachte, hob ich anhand meiner inzwischen fertigen Zeichnung zu einem längeren Vortrag an.

Gemäß der bewährten Regel "Die Gesprächspartner da abholen wo sie herkommen" hatte ich das Kreissymbol der koreanischen Staatsflagge mit einem S hineingezeichnet. Das sieht dann aus wie Yin und Yang und kommt vermutlich auch daher. Hinzu fügte ich auf die eine Seite das Symbol für Männlichkeit, auf die andere das der Weiblichkeit. Die Erläuterung dazu nur in Kurzfassung, um nicht den Rahmen zu sprengen: Beide Teile gehören zusammen. Nimmt man eins weg, ist halt das Ganze zerstört und keine Sau fühlt sich in dieser gedanklichen Ruine wohl, wie sie also die alten Kirchendeutungen durch das Ausblenden der weiblichen Seite in die Welt gesetzt hatten.

Dann noch ein kleiner Ausflug zu den matriarchalischen Kulturen, bei denen die andere Hälfte unterdrückt war und die also auch nicht das Gelbe vom Ei waren.

Fazit: Wenn wir also das, was ohnehin jeder weiss (dass wir alle von Mutter und Vater abstammen), auch noch auf einer höheren Ebene für gültig erklären, also daran auch glauben, dann ist das gut und hilfreich.

Und dann ist es Wurst, ob wir dafür die Church of God, den gesunden Menschenverstand oder buddhistische Satori- oder Nirwana-Annahmen als stützendes Dach heranziehen. (das hatte ich glaube ich etwas diplomatischer ausgedrückt).

Damit waren die beiden nicht so richtig zufrieden, aber zum Glück begann in der Kirche gerade das Konzert und wir eilten ins Kirchenschiff. Das Konzert war wundervoll. Junge Leute spielten und sangen mit Leidenschaft und hoher Begabung klassische und moderne, koreanische und internationale Stücke. Am Ende führten Kinder ein Ballett auf, es war einfach rührend.

Anschliessend wollten die beiden mich überreden, noch zum Gottesdienst zu bleiben, die Dame wollte mir auch alles in Englisch ins Ohr flüstern. Ich lehnte ab und brachte es nicht übers Herz, die wirkliche Begründung zu sagen, dass ich es für verplemperte Zeit halte, wenn sich Leute, die sich einig sind, immer wieder die gleichen Dinge sagen. Und dass ich das engl. Wort für Gottesdienst nicht leiden kann (Worship), weil ich da immer an Kriege und Kreuzzüge denken muss.

Also schob ich Unpässlichkeit vor, Jetlag, Müdigkeit und so, und da das ja auch stimmte, konnte ich so mit heiler Haut und einigermaßen gutem Gewissen dem zweiten Missionierungsversuch meines Lebens entkommen.

Der erste hatte übrigens ein Nachspiel: Ich hatte offenbar bei den Mormonen eine Visitenkarte hinterlassen - jedenfalls bekam danach meine Familie jahrelang regelmäßig Besuch aus Amerika. Junge, bestgekleidete Mormonenjünglinge baten in unserem Haus in Berlin mehrfach um Einlass um zu missionieren. Zum Glück war ich da nie zu Hause, und meine Familie hat meines Wissens auch keinen Schaden davongetragen. 

Davor gab es noch eine versuchte Missionierung, die hatte ich fast vergessen: 17 Jahre Marxismus Leninismus. Die war deutlich intensiver, aber die ist auch nicht angeschlagen bei mir, im Gegenteil. Die hat mich so wütend gemacht, dass ich 1989 die letzten Staatschefs der DDR mehrfach schriftlich zum Rücktritt aufgefordert hatte.

Und Ocki ist auch kein Gotteskrieger, er ist politisch sehr engagiert, hat in seinem Regime tüchtig Prügel bezogen für seinen Mut, sich aufzulehnen und schließlich die Studentenorganisation für Nachhaltigkeit hier gegründet, die mich eingeladen hatte. Was das mit der Kirche heute auf sich hatte, werde ich vielleicht Montag rauskriegen, da machen wir gemeinsam einige Vorträge an seiner Uni.

Ja, den Rest des Abends werde ich rauszukriegen suchen, wie bedrohlich die Lage hier ist, 1.3 Millionen Menschen sind schließlich mehr als anno dunnemals 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin, und nicht alle Umstürze sind friedlich...

Sonntag, 27.11.

Die verschiedenen Tempel und historischen Wohnanlagen der Stadt abgelaufen. Viele Menschen in koreanischen Trachten. Ein Stadtviertel entdeckt, das dem Plattmachen für Hochhäuser entgangen ist, hunderte Holzhäuser mit den wunderbar geschwungenen Dächern.

Eine Ausstellung über König Sejong lüftete mir das Geheimnis des koreanischen Alphabets: Konsonanten sind im Symbol der Mund- und Zungenstellung nachempfunden, Vokale leiten sich von Himmel KREIS, Erde HORIZONTALER STRICH und Mensch VERTIKALER STRICH ab. Der Witz ist nun, dass jede Silbe zu einem Symbol wird, welches aus drei Grundelementen synthetisiert wird. Damit sind die Worte, also deren Bilder, optisch viel dichter darstellbar als mit unserem Alphabet.  

König Sejong regierte vor 500 Jahren auf der Basis von Mitgefühl und Vertrauen. In was für eine Zeit sind wir nur heute geraten? Das Kastensystem gibt’s nach wie vor, nur dass heute die oberen Kasten nicht mehr auf die Idee kommen, regelmäßig grosse Gelage für die Benachteiligten der Gesellschaft zu geben, wie das von Sejon eingeführt wurde.

Weihnachtsmarkt am Rathaus: Weisse Plastikzelte mit Getränkeangebot, ein grünes überdimensionales 10 m hohes Plastik-Räucherstäbchen, soll wohl den Christbaum symbolisieren, und ein Chor schmetterte Lieder. Falls das Weihnachtslieder waren, so klangen sie in meinen Ohren doch eher wie Matrosenlieder. Abends Internet-Telefonie entdeckt. Schön, wieder wenigstens Sprachkontakt in die Heimat zu haben.

Montag, 28.11.

Mit Ocki zur Halla University in Wanjung gefahren. Das liegt in der Mitte der Halbinsel Korea, 2 Stunden südöstlich von Seoul, eine mittlere Stadt mit 200 000 EW. Nach Seoul wirkte es hier wie ausgestorben, kaum Leute zu sehn, die Sonne schien klar. Ein Vortrag vormittag für Studis der Sozialwissenschaften. Sie waren sehr offen und interessiert, zwei sprachen mich an, sie wollen ihr Dorf umstellen. Ich sagte ihnen die ersten 5 Schritte. Koreanische Energie…

Mittag in der Dozentenmensa Algen mit lila Reis gegessen und noch Reiswasser als Nachtisch. Das Essen ist meist für unsere Gaumen nicht so der Renner, um es vorsichtig zu sagen. Schon der Duft… Naja, der Hunger treibts dann rein, Auswahl gibt’s oft nicht und der Duft ist ohnehin immer da.

Nachmittag Vortrag vor Naturwissenschaftler. Auch die waren ganz Ohr und fragten dann nach  der Rolle der Politik, Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, Pariser Klimaabkommen und solche Dinge. Ich sagte schmunzelnd, dass diese Sonntagsreden den Umschwung nicht bringen werden, in ihrer Ergebnislosigkeit seit 30 Jahren beschämend für die Politik sind, und dass es darauf ankommt, dass wir von unten einfach anfangen, die Gesellschaft umzubauen. Ohne auf Godot zu warten. Weil das einfach mehr Freude bringt, als kritisch auf die oft impotenten Politiker aller Ebenen zu schielen und zu hoffen. Auch in dieser Gruppe löste das Nachdenklichkeit und AHA Erlebnisse aus, wie ich aus den Fragen und Kommentaren ersehen konnte.

Abends dann mit Ocki in einer typisch koreanischen Kneipe. Schweinefleisch musste ich Ocki mühsam ausreden, dann gab es Fischsuppe, am Tisch zubereitet über einer eingelassenen Feuerstelle. Der Duft nach den ungewohnten Gewürzen, nach Algen und Sauerkohl hob mich fast, dazu das Schlürfen, Spucken und Schmatzen von allen Seiten, das wohl zum guten Ton gehört. Als Ocki mir dann ein Fischauge zeigte, es genüsslich in den Mund steckte und in seiner wieder mal missionarischen Art mich aufforderte, ihm nachzutun, musste ich mich fast übergeben.

Naja, wir haben dann noch lange gelacht und Witze gemacht. 

Dienstag, 29.11.

Die wichtigste Nachricht: Präsidentin Park, gegen die Samstag 1.3 Millionen demonstriert hatten, ist bereit, zurückzutreten. Ein grosses Aufatmen im Land, denn ihr Vater war Diktator in Korea und der war nicht zimperlich, wenn jemand gegen ihn war. Hier gab es ja seit Ende des 2. Weltkrieges in fast jedem Jahrzehnt Krieg, gewaltsame Unterdrückung oder handfeste Repressionen gegen das Volk. Und nun ein Zeichen des Friedens - anstelle von Gewalt, wie bislang meist.

Ocki tanzte vor Freude und Erleichterung durch den Lotosblumen-Park am Han-Fluss und wir sangen laut "Freude schöner Götterfunken...".

Zweite schöne Überraschung des Tages: Es gibt im Süden des Landes eine Kommune, die hat vor, auf neue Energie umzubauen. Die wollen mich gern einladen, um Erfahrungen auszutauschen. So werde ich kurz vor Weihnachten Gelegenheit haben, in Korea ganz handfeste gute Vorhaben unterstützen zu können, worüber ich mich sehr freue.

Heute war ich mit Ocki am Zusammenfluss des nördlichen und südlichen Han-Flusses, 1,5 Stunden östlich von Seoul. Hier haben wir einen Öko-Park besucht mit Enten, Reihern, fleißigen Maulwürfen, riesigen Fischen im Fluss, etwa 80 cm grosse schlanke Raubfische. Darin ist ein Bildungszentrum für den Umgang mit Wasser, für Kinder sehr schön aufbereitet, mit Wasserspielplatz aber eben auch wichtigen Infos über Wasser, z.B. den Wasserbedarf für verschiedene Nahrungsmittel (Fleisch schnitt, wie so oft, mit Abstand am schlechtesten ab) oder eine chemische und biologische Kläranlage. Über eine schwimmende Brücke, bunt geschmückt mit Fasanenfedern ging es auf eine Insel im Fluss, auf der ein zauberhafter secret Garden angelegt war, mit wunderbaren Arrangements von Bäumen, Felsen, Lotosteichen, Stegen, sparsamen Architekturelementen aus Holz und Naturstein. 

Bedrückend ist, dass wir in der Landschaft wie auch auf dem Bahnhof schwerbewaffnete Soldaten sahen, jeweils ein Maschinengewehr im Anschlag, die Gesichter mit Tarnschminke bemalt, also martialisch aussehend. Ocki verwickelte sie in ein Gespräch - es waren blutjunge freundliche Burschen mit weichen Gesichtszügen. Sie schieben Wache, weil die Grenze zu Nordkorea nicht weit ist. Es gibt kein Friedensabkommen zwischen beiden Ländern, und auch das Waffenstillstandsabkommen wurde von Nordkorea 2013 aufgekündigt. So rechnet man hier praktisch täglich mit einem möglichen Angriff von Norden, und da man dort wohl Nuklearwaffen hat, ist die Lage sehr angespannt.

Das Mittagessen war wieder illuster. Ocki stöhnte und ächzte vor Vergnügen und versuchte, mir auch Sachen aufzudrängen, die ich nicht hinterkriegen konnte. Ich war wieder mal zwischen Höflichkeit und Abscheu hin und hergerissen. Einiges war auch sehr lecker, ein Kartoffelpuffer mit Meeresfrüchten zum Beispiel.

Auf dem Heimweg wollte mich Ocki wieder in die Kirche Gottes abschleppen, um mir dort die Verkündigung des dritten Zeitalters zu erläutern zu lassen. Ich sagte ihm, dass ich seine Überzeugungen respektiere aber nicht länger missioniert werden mag. Ob er irgendwie unter Druck gesetzt wird? Er hat auch oft Kopfschmerzen. Lacht aber auch endlos viel, scherzt viel, ist ein Nachhaltigkeits-Visionär und auch publizierender Wissenschaftler. Ich krieg das noch nicht zusammen, was seine Persönlichkeit ausmacht. Einmal hatte ich in irgendeinem anderen Zusammenhang den Begriff schizophren erwähnt, da schien er mir zusammenzuzucken.

Ein bunter Tag, mit Freude, Schmerz, wunderbaren Landschafts- und Naturbildern am Strom, stinkenden Müllecken, sehr freundlichen Leuten wie dem Bahnbeamten, der mir aus seinem Office nen Kaffe anschleppte, weil der Automat kaputt war und auch vielen vielen Elektronik Zombies. Ich schaue ab und an mal, was die so auf den Smartphones machen. Festhalten: Einige gucken da freiwillig und ausdauernd Werbespots!!!

Mittwoch, 30.11.

Mittags Treffen mit drei Daeyajon Mitgliedern im Angel in us Cafe an der Ewha Uni. Über Kooperationsmöglichkeiten mit Netzwerk N sowie Studienbedingungen in Korea, China und Deutschland ausgetauscht.

Witzig: meine Füsse steckten barfuss in den Bergstiefeln, weil ich die Socken wegen der Abreise im Koffer vergraben hatte. Es war kalt draussen, und ich wollte so gern Socken anziehen… Da kamen die Drei und schenkten mir: Zwei Paar koreanische Socken!

Gemeinsames Mittagessen, im underground Restaurant unter dem Uni-Hügel. Da meine Hotelrechnung bereits bezahlt war von den netten Gastgeberinnen der Womans Uni, hatte ich noch einen Packen Geldscheine in der Hosentasche und konnte die Studis zu einem fulminanten China-Mahl einladen.

Abends Abflug nach Brisbane.

 

Im Flugzeug überm Äquator zwei Gedichte notiert:

Über Papua

Die Schwarzen wackeln mit den Titten

Denn oben fliegt ein Himmelsschlitten

Am Firmamente ruhig hin

Da sitzt der Altsack Peter drin.

 

Er denkt an seinen lieben Bruder

Das Obergeografenluder

Den ehrenwerten Doktor Bert

Der sonsten alles ihm erklärt

 

Doch leider ist er in der Ferne

Dazwischen hängen tausend Sterne

So fragt sich Peter leicht verstört

Wo Neuguinea zugehört.

 

Gaia, Geliebte

Kühle Hügel, heisse Quellen

Trockene und feuchte Stellen

Wüsten wie auch Meereswellen

Edelsteine, Lebenszellen

 

Tief im Innern heisse Lava

Brodelt manchmal raus auf Java.

 

Spiegelglatt die Solomonen

Wo die Leidenschaften wohnen

 

Tief in Okeanos´ Stille

Kocht ein unzähmbarer Wille

 

Feuer, Wasser samt Gewittern

Einen sich in Wonne, zittern

 

Glätten später sich die Wogen

Leuchtet bald ein Regenbogen

 

Aus der frischen Erde spriessen

Wundervoll Lupinenwiesen

 

Schmetterlinge Hummeln schweben

Dankbar für das grosse Beben

 

Summen flattern durch die Düfte

Saugen achtsam in die Lüfte

 

Anmut hier Gesänge dorten

Wasserrauschen, Blumenborten

Blut strömt kraftvoll durch Aorten

Satte Wolken Blitze horten

 

Donnerstag, 1.12.

Tatsächlich: Brisbane liegt in den Tropen: Ein Konzert unbekannter Vogelstimmen empfing mich in Palmen, Gummibäumen, Eukalyptusbäumen und anderen tropischen Gewächsen gleich am FH in Brisbane. Mit dem Mietauto nach Norden. 30 Grad früh um 9, Mittag legte die Temp. dann zu. Linksverkehr, Lenkrad rechts im Auto, Blinker rechts am Lenker, das hat ne Weile gedauert, bis ichs drauf hatte, war „nur“ zweimal kurz Geisterfahrer dank des Trappertricks mit dem Pfeil in der Scheibe, den ich sofort anbrachte. Durch die Glasshouse Mountains gefahren, in der Landschaft herausragende dunkle steile Vulkanschlote, welche der Erosion widerstanden haben. Traumstrasse von Maleny nach Mapleton: Eine Hochstrasse auf dem Kamm einer Bergkette mit Blick hinunter zum Pazifik, an der zauberhafte kleine Städtchen liegen. Voller blühender Bäume in ungewöhnlichen Farben: Mimosenbäume mit himmelblauen Blüten, Gummibäume mit leuchtend warmgelben Blumen als Blüten, so ne Art Zypressen in strahlendem Orangerot, und Bougainville-artige Bäume in schillerndem lila-zinnoberrot. Stadtpark im Regenwald, Wasserlilien. Bei einem Ökogärtner Ingwer und Gummibaum-Honig gekauft, um meine Erkältung aus Korea wegzukriegen.

Im Regenwald Nationalpark Mapleton Falls herumgelaufen. Dreistöckige Vegetation, Luftwurzeln, Würgefeigen, an die Stämme angedockte Gastpflanzen mit orchideenartigen Blüten, atemberaubend starke und hohe einzelne Bäume. 400 Baum- und 100 Tierarten solls hier geben, dabei ist das genaugenommen nur ein jämmerlicher Rest des einst durchgängigen Waldgebietes, der nur wegen seiner Unzugänglichkeit für Landwirtschaft erhalten geblieben ist.

Ankunft in Noosaville, Gewitter, mein Haus unter Palmen im Blitzlicht, Vogelkonzert.

Freitag, 2.12.  

Morgens 5 Uhr bei 23 Grad ans Meer. Schwarze Felsenküste an der Nordspitze von Noosa umwandert. Aus dem felsigen Höhenweg mit tropischen Bäumen den türkisfarbenen Pazifik unten stets im Blick. Ab und an Abstieg zu kleinen Sandbuchten hinunter. In der Alexandra Bay dann gewagt, ins Meer zu springen, ermutigt durch etwa zehn Wellenreiter hier, die ihre Beine ja auch im Wasser hängen hatten, woraus ich schloss, dass es hier keine Haie und Giftquallen gibt. Eine Stunde Delfin geschwommen, mit den übermannshohen Wellen gebalgt. Als ich herausstieg, kam ich mit vor wie die in de Bild „Der Jungbrunnen“ auf der rechten Seite. Also wie neugeboren, wieder voller Kraft und Energie. Yippieh!!!

Jetzt arbeiten: Habe der Redaktion der Zeitschrift „Umweltpsychologie“ zugesagt, den programmatischen Beitrag für eine „Transformationspsychologie Nachhaltiger Entwicklung“ bis zum 12.12. zuzusenden, da ist noch einiges zu tun. Dann warten noch 7 Interviews auf die Transkription, next week will ich den Kollegen in Berlin den Auswertungsschlüssel zusenden und dann wollte ich ja noch über Spiritualität und NH nachdenken…

Werde mir einen Platz suchen, der gekühlt ist, hier in meinem Haus sind zwar lauter Ventilatoren, aber 30 Grad bleiben 30 Grad, auch wenn ein Lüftchen geht.  

Manuskript fertiggestellt, Nosaville abgebummelt, abends im Dunkeln verlaufen

Samstag, 3.12.

Wieder zur Alexandria Bucht gewandert. Ganzen Tag geschwommen, durch die Felsen gekraxelt, Tiere beobachtet: Einen goldenen Käfer, Brush Turkey (schwarz rot goldner wilder Truthahn) das Seetier nudibranch (naked gill), Sandspinnen, die sich im Strand eingraben, Lizards, Bunte Fische in Tide Pools, Muscheln und Schnecken verschiedener Coleur und Formen. Gedichte aus dem Flugzeug abgeschrieben, Manuskript den letzten Schliff gegeben.

Noosa Heads abgebummelt, hübsche Urlauberstadt mit menschlichem Maß am Meer. Bissel zu Schicki Micki, aber viele Kinder, fröhliche Stimmung.

Abends durch Noosa Sumpfsiedlung gelaufen. Das ist das Beverly Hills von Noosa, hübsch aber unwohnlich, jedes Haus mit Wasserzugang, Boot und eingemauert. Wollte noch auf nen Weihnachtsmarkt in einer Nachbarstadt, aber es zog wieder ein Gewitter auf. Die Blitze waren so häufig, dass es fast permanent hell war. Gespenstisch. Regen trommelte in die Palmen.

Sonntag, 2.Advent, 4.12.

Etwa 15 km den Noosa Nationalpark durchwandert, einmal an der Küste entlang bis zur Ostküste, wo der Sunshinestrand anfängt. An mehreren Buchten geschwommen. Die Wellen sind überall anders. In einem grossen Tide Pool etwas über den türkis-weiss tosenden Wellen des Meeres, Harmonika gespielt, ein Weihnachtslied. Gedanken über Liebe aufgeschrieben.

 

Eintauchen ins Meer: Wilde Wogen oben, unten Frieden

Eintauchen ins Satori: Ertrinken in den Worten derer die dort sind, Sprache bringts nicht rüber. Und doch: dort ist Frieden.

Eintauchen in die Traumzeit: Achtsam die Kanäle der Sinne öffnen. Mit den Bäumen atmen. Steine streicheln, Katzen. Dankbar das Herz öffnen. Für das Rufen der Ewigkeit. Es klingt in den Vogelsängen un Windkonzerten in den Wäldern der Welt.

Demütig das tun, was Dein Herz nun sagt:

„Es ist nur eins was zählt: LIEBE“.

 

 Zeitmessung ist hier praktisch: kein Schatten = 12 Uhr. Schatten so lang wie ich= 9 Uhr vormittag oder 15 Uhr Nachmittag. Nackt durch die Wellen getobt mit paar Nudisten-Aussis. Ist hier verboten, neulich wurde zwei nackte Tatteriche von im Busch versteckten Dorfbullen verhaftet, darüber hat ganz Australien erhitzt debattiert. So war es ein Gebot der internationalen Solidarität für mich, mich denen splitternackt und kampfesbewusst an die Seite zu stellen. Wie dereinst im mittleren Westen der USA, wo ich für die Gleichstellung von Homos demonstrierte und Angst aushalten musste, dafür einen auf die Mütze zu kriegen von den Gegendemonstranten …

Morgens im Mangrovenwald bei Noosa herumgelaufen. Die meisten Speisefische /-tiere sind in ihrem Lebenszyklus von Mangroven abhängig! Wochenmarkt. Am Germany Stand gabs Bockwurst und Pizza hihi. Riesige Urwaldblumen, wie in Indonesien.

Mailverkehr erledigt, hat sich einiges angesammelt. Interviews transkribiert. Mit Europa telefoniert.  

Montag, 5. Dezember

Interviews mit den Bürgermeistern von Colditz, Saerbeck und Delitzsch transkribiert. Morgens Schwimmen im Strom von Noosaville. Nachmittag Toben in den Wellen. Flow. Auf den Wellen reiten. Darunter tauchen. Wellen von unten durch die Taucherbrille angucken. Menschen und brush turkeys beobachten. Sind gar nicht so verschieden. Bei den Turkeys wühlen die Männchen unermüdlich durch das Laub, aber nicht auf Nahrungssuche, sondern eher gelangweilt, nur um den Weibchen mit ihrer Kraft und Ausdauer zu imponieren. Grüne Riesenkrabben in den Tide pools zwischen Tea Tree Bay und Boiling Pot beobachtet. Junge Frauen, die anmutig posierend über den Sandstrand tanzten. Über die Sandsteinfelsen gekraxelt, welche in verschiedenen rot-, ocker- und brauntönen in der Sonne prangten und mit riesigen rundgelutschten Granitblöcken am Ufer wechselten, die sahen aus wie versteinerte Wale.

Dienstag, Nikolaus, 6.12.

Nikolausaufmerksamkeiten in die Welt geschickt, das endlos lange und schwafelige Interview mit Merkendorfs Bürgermeister Popp transkribiert. Den Vortrag für die University of Queensland vorbereitet. Das Programm für die Transformationspsychologie letztmalig überarbeitet und abgesendet. In der Tea Tree Bay schwimmen gewesen. Über Felsen am Meer entlang gewandert, den boiling pot bewundert. Grüne Riesenkrebse beobachtet. Im Meer mit wunderbaren pastellfarbenen Fischen geschwommen. Das Salzwasser trägt so gut, dass man gar nicht viel tun muss um zu gleiten. Tauchen geht nur wenn man ausatmet. YinYang Bäume aufgenommen. Die Reise für morgen geplant.

Mittwoch, 7.12.

3 Uhr munter geworden, bis 5 Uhr den Morgen genossen, Frühstück und zusammenpacken. Zügiger Aufbruch, dennoch in den Morgenstau Brisbanes geraten und verfahren. Durch den Fluss die Orientierung halten können und durch den botanischen Garten der Stadt am Fluss spaziert. Araukarien, Jacarandas, Gummibäume, riesige Palmen verschiedener Arten, Ibisse. Blütenwolken verschiedener leuchtender Farben.

Der Vortrag für Mitarbeiter und Doktoranden des Global Change Instituts war gut besucht und wurde sehr interessiert aufgenommen. Viele bedankten sich für das Mut machen und die optimistische Sicht. Danach noch ein längeres Gespräch in kleinerer Runde. Sally, Peta und viele andere sind an weiteren Kontakten und Austausch interessiert. Peta forscht zu Akzeptanz von CO 2 Verpressung Carbon capture and storage. Ich war sprachlos, wie sich Wissenschaftler solchen Themen zuwenden können und gab mein Bestes, sie von dem Irrsinn dieser Idee zu überzeugen, indem ich sie z.B. auf Plattentektonik verwies, welche JEDE Gasblase wieder nach oben bringt. Hab ihr von Hermann Scheer erzählt, wie der im Deutschen Parlament seine Mitparlamentarier überzeugt hatte, dass so etwas ein Verbrechen gegenüber unseren Enkeln ist, etwa so schlimm wie das Hinterlassen von Nuklarmüll. Sie meinte, weil es immer noch so viel Kohlekraftwerke gibt müsse man das erforschen…

Nachmittag dann das Lone Pine Koala sanctuary besucht. Das war der Renner, alle australischen Tiere, die wir mit dem Land verbinden, waren da: Koalas, ganz süss, Kängurus denen babies aus dem beutel äugten, tasmanischer Teufen und Schnabeltier. Und grosse Echsen, so gross wie ein Unterarm, Schlangen, kunterbunte Papageien die HELLO und Good bye sagten, sogar im richtigen Moment!

Donnerstag, 8.12.

heute die Transkriptionen mit den Interviews der BG in Ascha, Dornstedt und Wunsiedel abgeschlossen. Fazit nach 25 Interviews: ALLE haben gesagt, dass ihr Engagement ihr eigenes Befinden verbessert, ihnen Spass und Freude bereitet. Wie kriegen wir diese Info nur unter die Leute? Dann hätten wir mit einem Schlag anstelle von 3 Millionen Depressiven in Deutschland plus 3 Millionen Alkoholabhängige 6 Millionen Nachhaltigkeitsengagierte. Wenn das die alle heute abend wüssten, würde morgen die Transformation  beginnen und übermorgen wären wir fertig. Na schaumer mal, paar Jahre sind ja noch Zeit in diesem Leben, um ein bisschen mit verschiedenen Möglichkeiten herumzuprobieren. Der Gunter Pauli schreibt Märchen, andere wie der Weckert machens über tolle Lieder, das kommt auch gut, nur wissenschaftliche und halbwissenschaftliche Bücher dringen nicht so durch.

Nachmittag den Noosa River flussaufwärts in den Regenwald reingefahren. Mit einer Fähre in den Sandy National Park übergesetzt, wo es sehr einsam war, kaum Leute getroffen. Eine riesige Sandinsel, 30 km lang, mit hohen Dünen, den Grossteil der Fläche hat der Regenwald erobert. Im Wald Termitenbauten bewundert und die starken Bäume und deren Begleitpflanzen wie Vanille-Kletterpflanzen. Am Meer Muscheln in nie gesehenen Formen und Farben gesammelt, wieder einige Goldkäfer gefunden und zum Gras gebracht. Christmas Bugs nennt man die hier.  Schwimmen in den Sonnenuntergang, übermannshohe Wellen. Zikaden zirpten im Wald in der Dämmerung so laut, dass ich erst dachte, mein Auto sei kaputt. So machte ich die Zündung aus beim Fahren, das Geräusch blieb. Das Auto rollte aus, das Geräusch blieb. Und siehe da, es waren Zikaden in einem grösseren Sumpfgelände. Riesige Eukalyptusbäume und Palmen verschiedener Arten. 

Meine Gefühlslage ist seit vielen Tagen wie ein electrical storm, ein permanentes Blitzgewitter, bei dem der Himmel fast durchgängig erleuchtet ist. Die gabs hier fast jede der vergangenen Nächte, und die sind in meine Seele geschlüpft. Also so eine Steigerung des landläufigen Flows. 

 

Freitag, 9.12.

Hab mir heute ein besonderes Abenteuer vorgenommen die Rainbow beach. Dazu musste ich mein für heute vorgesehenes Tagewerk auf eine Nachtschicht verschieben. hab also die meinem Projektteam zugesagte Auswertungsmatrix für die 25 Interviews bis Mitternacht fertiggestellt, dann etwas geschlafen, und 4.10 gab es einen ohrenbetäubenden Lärm vor meinem Fenster. Irgendeine Gruppe von Tieren ist sich wohl ins Zanken gekommen, so klang es jedenfalls, ein Kreischen, gegen das Gezänk von Waschweibern als Sinfonie wegkäme. Also war ich putzmunter, die Sonne ging gerade auf und das passte gut, denn:

Die Rainbowbeach hat natürliche "Eintrittszeiten", bedingt durch Ebbe und Flut. Eine Steilküste mit Sandsteinfelsen in vielen Farben stürzt direkt in den Pazifik, oder besser, wird von diesem regelmäßig am Fuß geküsst und angenagt. Ein schmaler Streifen zum Gehen ist nur bei Ebbe zu betreten, und die war heute von 7.30 bis 11.30. 

Also mit dem Auto 1.5 Stunden durchs "Hinterland" (hier hat wirklich ein deutsches Wort Eingang in die Geografie der Aussis gefunden, offenbar war auch mindestens ein deutscher Sträfling bei den ersten Insassen hier). Eine Abkürzung durch den Regenwald zur Bucht, um nicht durch die Siedlung zu müssen, erwies sich als nicht gangbar, ich musste reumütig zum Auto zurück, hatte dadurch aber einen einstündigen Ausflug in den morgendlichen noch kühlen Wald - 23 Grad.

Eukalyptusriesen, Blick auf eine Binnenlandbucht, in der Haie leben sollen, aber zum Pazifik führte der Weg nicht, es gibt einfach keinen Weg, weil die Steilküste über 100 Meter hoch ist, es gibt keinen Abgang, wie ich später von unten konstatierte.

Also doch in die Siedlung rein und pünktlich 7.30 von da losmarschiert. Grandiose Farbspiele in den Felsen, und klar voneinander abgesetzte Farben, leuchtende satte Gelbtöne, Rot in verschiedenen Schattierungen bis hin zu dunklem Karminrot, dazu Kreideweiss, Ocker, verschiedene Brauntöne. Dazu bizarre Abbruchsformen, Höhlen, ab und an Palmen und andre Bäume und Sträucher festgekrallt im Abhang, unten wuchsen meterlange Kriechgewächse am Ufer entlang mit Pinkfarbenen Blüten, artesische Brunnen ganz unten, Grundwasser tritt aus dem Sand und läuft zum Meer, wobei sich die Farben der Sandpartikel in dem Wasserlauf wiederfanden und zauberhafte Formen bildeten, welche sich durch den Wasserlauf in jedem Moment veränderten. Kristalle leuchteten im Wasser gegen die Sonne und der Wasserlauf bildete obendrein Wildwasserwellenzöpfe. Sepiamuscheln aufgesammelt und mit dunkelroter Kreide meinen Körper und das Gesicht bemalt. Das war ganz spontan nach Indianerart - und dann musste ich feststellen, dass sich die Farbe nicht abspülen liess, meine Hände waren trotz eines Badegangs im Meer immer noch dunkelrot, mein Gesicht vermutlich auch, aber das sah ich zum Glück nicht. Eine Aborigines Frau hat sich hier mit ihrem Geliebten, dem Regenbogen getroffen, so die Sage. Und der hat ihr zuliebe mit den schönsten Farben der Traumzeit die Felsen der schnöden Realität verzaubert. 

Schwimmen in den Wellen, Tide pools mit lustigen Fischen mit Bananenschale bestückt und so die kecken Fischlein aus ihren Schattenhöhlen gelockt. Rosa Seeanemonen, die ihre Mundöffnungen auf und zu machten  beobachtet. Schließlich gönnte ich mir ein Nickerchen, die Nacht war ja arg kurz. Als ich munter wurde, hatte ich zwei Probleme: zum einen auf der Brust und dem Bauch unten Sonnenbrand vom Feinsten, dazwischen ein weisser Streifen, wo die Hände nach Buddhaart verschränkt waren. Schlimmer aber war das zweite Problem: Es war 11.30 und ich hatte noch 1.5 Stunden Fußmarsch vor mir bis zu der Stelle, wo der Strand wieder beruhigend breit war. So betete ich , dass die ältere nette Dame, die mir gestern das Zeitfenster genannt hatte, da etwas Sicherheitspuffer eingebaut hatte, bis die Flut den Weg vollends versperrt. Und so war es auch - ich kam noch durch, auch wenn es am Ende des Marsches an einigen Stellen tatsächlich nur noch 3-5 Meter Luft waren zwischen Felsen und Wellen.

Auf der Rückfahrt die Goldgräberstadt Gympie erkundet und mich wie schon an vielen anderen Stellen der Welt über den Ehrenhain für gefallene Soldaten geärgert. Die Menschen unterscheiden nicht zwischen Gründen für Kriege und so liegen Gefallene aus sogenannten "Kolonialkriegen" sprich Ausrottungsfeldzüge oder Massaker an menschlichen Schwestern und Brüdern, etwa im Kampf gegen die Maoris oder Afrikaner,  in einer Reihe mit Gefallenen der Weltkriege. Der Opfer der Kriege, welche durch die Soldaten des eigenen Landes umgebracht wurden, gedenkt man üblicherweise nicht.

Die Landschaft ist anmutig, friedlich, gefällig in den Landschaftsformen, Hügel, Bäche, Wälder, Plantagen und in den Städten allerorten die orangerot blühenden Bäume deren Namen ich nicht kenne.

Samstag, 10.12.

Vormittag durch den Wald an der Landspitze von Noosa heads, Gedanken über Psychologie der Bäume notiert und aufregende Konstellationen von Baumpaaren und Familien aufgenommen. Rückweg über Sunshine Beach, Alexandra Bay, Granite Beach, Tea tree beach, Dolphin point und boiling pot. An der A Bay im Rauschen von Wind und Wellen über der phantastischen Bucht zwei Gedichte notiert.

 

FALL IN LOVE

 

Trunken von den Farben der Blumengirlanden

In den Bäumen, flammend rot, warmgelb, azurblau.

 

Trunken von den Düften der Jacarandablüten

Und Eukalyptusriesen

 

Trunken vom glücklichen Zirpen von Zikadenlegionen

Dem Tirillieren der Morgensänger Chöre

 

Schwebt der Tag schwerelos im Sein

Zwischen den ewigen Wogen des Meeres

Der Gischt und dem Sand am Hang

Vom Regenbogen geküsst

Gibt er dem Regenwald dankbar

Die Krume zurück in den Kreis

 

Fallen in love schweben gleiten singen

summen wir durch sanft klingende

blumen duft wolken.

 

 ALEXANDRA BAY

 

Und ewig singt die Melodie von Liebe Wind und Wellen

Am Felsen flirten er und sie die Jubelsänge gellen

 

Die Bucht dem Meere zugewandt weit offen ihre Flanken

Und in der Mitte feinster Sand drin wühlen seine Pranken

 

So eint sich was zusamm´ gehört dezent der Dschungel schweiget

Wenn Okeanos Lex  betört die Gischt tost wild und geiget

 

Sie geigt die Zauberlitanei vom Werden und Vergehen

Vom Harten, Weichen, einerlei - die Zeit scheint still zu stehen

 

Die Liebe löst die Knoten auf in denen wir gebunden

Und lassen wir ihr freien Lauf so wird die Welt gesunden

 

Nachmittag zum Cooloba Lake am Oberlauf des Noosa Flusses gefahren, Mangrovenwälder anschauen. Von Boreen Point noch ein Stück auf einem Waldweg nach Norden. Dort wurde vor Schlangen und Haien gewarnt, da bin ich lieber wieder umgedreht.

 

Abends tropische Weihnachtsstimmung in Noosa Heads genossen. Die Menschen stecken sich Weihnachtsaccessoires, Plüsch-Hirschgeweihe und ähnliche geschmackvolle Dinge in die Haare, setzen rote Pudelmützen mit Glitzerbommeln auf und hängen bunt blinkende Kugeln so gross wie Medizinbälle in die Palmen. Dazu singen sie „I´m – dreaming of a white – christmas“ oder „Dashing through the snow, in a one horse open sleigh…“

Es ist zum Piepen. Im Park stolperte ich in der Dunkelheit fast über einen grossen Vierfüsser, erschrak mich ziemlich – er war so gross wie ein Biber. Daraufhin kletterte das Tier auf einen schlanken Baum in die Höh bis sein Gesicht auf der Höhe meines Gesichts war – und guckte mich neugierig an, aus etwa einem Meter Entfernung. Ich fotografierte das neckische Tier und ging lieber weiter. Ich glaube es war ein tasmanischer Teufel, jedenfalls stell ich mir die so ähnlich vor.

 

Dann habe ich noch einen Goldkäfer vom Bordstein hochgenommen. Er kletterte wieselflink meinen Arm hinauf zur Schulter und flog in die Nacht. Der hatte wirklich einen Weihnachtszauber in sich.

Sonntag, 3. Advent, 11.12.

Noosa Woods erkundet, zur Mündung des Noosa rivers in den Pazifik gelaufen, betörende Farben von Wasser, Sand und Himmel – und den blühenden Pflanzen. Dann die palm grove im Nationalpark durchquert, Urwaldriesen, vernarbte Stämme, einige von Würgefeigen erdrosselt. Lianen kreuz und quer, viele Palmen in der mittleren Etage des Waldes. Geckos an den Bäumen. Schwimmen in Meer, Tea Tree bay, mit zwei grossen Fischen sowie einem ganzen Schwarm kleinerer Fische durchs Wasser unter den Wellen geglitten. Wellenreiter beobachtet, ein schöner Sport.

Den ganzen Tag überlegt, was ich in einem Buchbeitrag über Psychologie der Nachhaltigkeitspolitik, den ich zugesagt hatte, schreiben werde. Diese Politik, national wie international, ist ja blamabel, beschämend ob ihrer Ergebnislosigkeit, was kann ich da hilfreiches Psychologisches dazu schreiben? Vielleicht analog zu den Pionieren der Energiewende das Wohlbefinden beschreiben, das sich einstellt, wenn man sich für Nachhaltigkeit engagiert? Aber werden das Politiker lesen? Was motiviert die eigentlich? Machterlangen, Machterhalt über Leichen? Ich weiss es nicht.

Oder – moment – meine 25 Bürgermeister sind ja auch Politiker, auf regionaler Ebene. Ich berichte einfach über diese Interviews, zeige Optionen der Lokalpolitik auf samt den psychologischen Konsequenzen und entwerfe ein Szenario, das sich entfalten kann, wenn auch die Politiker der  anderen Ebene eine Scheibe davon abschneiden.

Als Episode könnte ich die Zusammenarbeit mit Herrmann Scheer bezüglich der 100 Bioenergiedörfer einflechten oder wie wir mit dem Göttinger Team auf der Renewables Konferenz 2004 unser Bioenergiedorfprojekt gerettet haben, indem wir hohe Bundespolitiker um Unterstützung ersucht hatten.

 

Montag, 12.12. Robis Geburtstag und Abschied von Australien

In der Früh eine Abschiedsrunde durch Palm Grove und Tea tree beach. In der Bank bei Cora mit dem Hirschgeweih (auf dem Kopf, aus Plüsch, als Weihnachtsschmuck) noch einige Dollar getauscht und nen Strafzettel bezahlt (60 Dollar, wusste nicht, dass 2P auf dem Schild bedeutet max. 2 Std). In Brisbane Hamilton an einer Baustelle geparkt und mir den Ort gut eingeprägt. Dann mit dem Schnellboot den Brisbane river stromaufwärts eine Stunde durch die gesamte Stadt mäandert. Im Herzen der Stadt genüsslich eine Runde gedreht: Rathaus mit Ausstellung über die Geschichte der Stadt (die begann, nachdem viele tausend Jahre Aborigines hier lebten, worüber kaum etwas zu erfahren war) offiziell 1820. Da hat man für besonders schlimme Sträflinge, welche aus England nach Sydney gebracht worden waren und in Sydneys Strafkolonien weiter schwere Straftaten begingen, eine ganz schwere Strafe zur Abschreckung gesucht. Das war der Ort, aus dem Brisbane (so hiess der Gouverneur ausm Süden, der diesen genialen Einfall hatte) hervorging. Hier kamen also 7 Schwerverbrecher an, in tropisches Klima, schwül, Mücken, jede Menge giftige Viecher zu Wasser und zu Lande.

Ja, schwer zu fassen, dass heute hier eine Stadt ist, wie ich sie noch nirgendwo lebenswerter gesehen habe: Eine aufgeräumte, quirlige Großstadt mit viel Strassenverkehr und Parkplatzproblemen wie alle Großstädte ABER: Es gibt hier eine funktionierende Infrastruktur für Nicht-Autofahrer, sprich Fußgänger, Radfahrer, Sporttreibende aller Sorten. Freie Fahrräder und Busse im Zentrum, Wundervolle Parkanlagen am Fluss, zwei verspielte Brücken über den Fluss nur für Radfahrer und Fußgänger, essbare Pflanzen wie in Andernach, überall Trinkwasseranlagen und pieksaubere Toiletten, liebevolle „Möbilierung“ der Parks mit beleuchteten Partytischen für alle samt Grillmöglichkeit, Schach-Tische, keine Verbots- und kaum Verkehrsschilder, man kann über alle Wiesen und Rasenflächen spazieren, mit Ibissen und Riesenhörnchen flirten, Ball spielen, herumliegen und knutschen, was immer… Doch die größte Überraschung war die Street beach: 50 Meter über dem Fluss im Park eine riesige öffentliche Schwimm und Plantschanlage mit Wasserspielplatz inclusive tanzenden Fontänen, nachts farbig angestrahlt für die Kleinsten, welche zuhauf quietschvergnügt darin herumtollten. Abends war ein Weihnachtslauf, bei dem junge Leute in Weihnachtsmann- oder –frau Ausstattung bestgelaunt, gickernd und singend durch die Stadt liefen. Die sprangen dann zu mir in die grosse Badewanne, in der ich mich gerade wie eine Robbe mit Blick auf Fluss und Skyline der Stadt aalte. Der Renner war ein junger Kerl, der nach Ablegen der Oberkleidung rote seidene Strümpfe mit Strapsen trug, mit denen er unter grossem Gejubel im Wasser empfangen wurde. Die Brücken nachts zauberhaft farbig leuchtend. Ich bin die 5 km Runde auf beiden Seiten des Flusses entlang zweimal nacheinander gelaufen, es war ein Traum. Mit der letzten Fähre kam ich dann Mitternacht wieder im Hamilton an und dann zwei mittlere Malheurs:

Dienstag, 13.12.

Ich fand mein Auto nicht wieder. Ich hatte mir zwar eingeprägt, wie die Strasse aussah, da kannte ich alle Details, aber nicht den Weg vom Parkplatz zur Schiffsstation. Nachts sah auch alles ganz anders aus, und ich hatte mich auf dem Weg zur Fähre nicht oft genug umgedreht, um mir auch den Weg zu merken – Rückwärts sieht die Welt ja bekanntlich oft sehr anders aus als wenn man vorwärts geht. So lief ich eine Stunde durch dieses Stadtviertel, fand eine Strasse, die sah ähnlich aus, aber da war mein Auto nicht. Ich war wirklich verzweifelt, denn im Auto war mein ganzes Gepäck – und wie sollte ich das dem Autoverleih erklären????

Da traf ich John, der fuhr da nachts um 1 entlang, ich winkte ihm, er hielt an und hörte sich geduldig meine Story an. „Da ist also einer, der nicht weiss, wo sein Auto steht.“ Zum Glück fanden wir die notwendige gemeinsame Schwingung, und tatsächlich – wir fanden nach ca. 10 min Herumfahren das Auto.

Dann ein wenig im Auto abgenickt bis zum Sonnenaufgang um 4.30. Da passierte das zweite Malheur: Ich hatte das Auto von innen elektronisch verriegelt, damit mir keiner was klaut, während ich schlafe. Erste Amtshandlung nach dem Munterwerden: Das viele gute Wasser von gestern Nacht aus den öffentlichen Trinkanlagen Brisbanes ablassen. Also öffnete ich von innen die Tür – da ging die Alarmanlage an. Mit Blinken, ohrenbetäubendem Hupen und ich wie vor den Kopf geklopft: Wilde Gedanken rasten durch meinen Kopf: Bildzeitung Brisbane Schlagzeile: Deutscher Tourist weckt Wohnsiedlung Hamilton …

Ich also halbnackt und ungepinkelt auf den Fahrersitz nach vorn gekrochen und mit Vollgas, zum Glück sprang die Karre an, losgedüst Richtung Flughafen. Ich war wirklich hilflos, denn es war ja eine Frage der Zeit, bis mich die Bullen aus dem Verkehr ziehen würden. Was sollte ich denen nur halbnackt aus dem wildgewordenen Auto sagen???

Doch das Glück hielt wie meist zu mir als Sonntagskind. Die Alarmanlage ging nach gefühlt 3 Minuten aus – die längsten 3 Minuten meines Lebens. Beim nächsten Versuch, zum Wasserlassen auszusteigen, das Gleiche nochmal, aber jetzt war ich schon etwas gelassener und wechselte das Wohngebiet, in dem ich die drei Minuten nun verbrachte. Beim nächsten Anhalten wollte ich aus Verzweiflung erst mal ausm Fenster pinkeln oder versuchen aus dem Kofferraum das Auto unauffällig zu verlassen, doch verwarf ich beide Optionen. Der Gedanke, dass der Alarm losgeht, während ich im Kofferraum festklemme war nicht sonderlich erbaulich. Oder dass mich einer beim Pinkeln fotografiert und mich dann mit dem Foto erpresst…

So tat ich das, was mir schon gelegentlich geholfen hat und siehe da: es half auch hier: Ich drückte von innen auf dem Schlüssel die Entriegelung des Autos, es klickte - und die Welt war wieder in Ordnung.

Hier im Flughafen habe ich mit längeren Lachattacken beim Aufschreiben dieser Zeilen die Leute unterhalten. Nun heb ich ab nach Seoul.

Dienstag Mittag im Flieger über dem Äquator

Der Kreis schließt sich zu den Gedanken am Anfang der Reise: Emotionen und spirituelle Dinge sind es meines Erachtens, die in unserer Kultur zu wenig gepflegt werden – und hier scheint mir der Ansatzpunkt für neue Wege zu liegen. Habe über dem Äquator den Film „Hannah Arendt“ gesehen. Wenn der Film sie richtig widergespiegelt hat, kam sie zum Schluss, dass Eichman unfähig war zu denken und darin die Ursache des Bösen der Nazizeit zu suchen sei. Weil er nicht klar denken konnte, so Arendt, war er nicht in der Lage, ethische Maßstäbe zu reflektieren und hat sich so auf die bürokratische Maschinerie, Befehlserfüllung, und dergleichen berufen können. Ich glaube, die Diagnose stimmt nicht. Das kalte Denken hatte er wie auch viele andere Naziführer sehr gut drauf, denn ohne Denken kriegt man die Logistik von Auschwitz nicht zustande. Was verkrüppelt war bei diesen Leuten waren emotionale, spirituelle und Sinnaspekte. Wer emotional alphabetisiert ist, kann keine anderen Wesen umbringen – PUNKT.

Nun ist das keine akademische Spitzfindigkeit, hier treffende Ursachen zu finden, denn unsere Zeit ist nicht so verschieden von 1933-1945. Heute sind wir mitten im ökologischen Niedergang und in China werden nach meiner Kenntnis in der gleichen Grössenordnung wie damals Menschen umgebracht. Wie damals sprechen wir auch heute kaum über solche Dinge, welche zu ungeheuerlich scheinen, um sie für glaubwürdig zu halten. Die grosse und grundlegende Frage, wie es sein kann, dass eine „Kultur“ die Selbstauslöschung vorantreibt, und wie wir diese Teufelskreise verlassen können, ist immer noch ungelöst.

Ich werde mit Maike, meiner Grosskusine, Kontakt aufnehmen und ihre Masterarbeit über Hannah Arendt lesen. Maike hat ihren Mastertitel nicht bekommen, weil ein Gutachter die Arbeit für ungenügend hielt. Offenbar ist Frau Arendt bis heute eine umstrittene Person – und ich will versuchen, mehr darüber herauszufinden. Vielleicht kann ich Maike unterstützen und auch für die grosse Frage neue Anregungen gewinnen, wie wir neue Wege in eine liebevolle Zukunft gangbar machen können.

Auf den Punkt gebracht, so glaube ich, brauchen wir Herz, Mut und Verstand, und zwar in dieser Reihenfolge. Denn derzeit wird nur Verstand systematisch gefördert, Herz wird zumindest in der informellen Bildung traditionell in kleinen sozialen Gruppen wie Familien und Freundeskreisen gefördert, und Mut erfährt nur sporadisch eine Bekräftigung, hier ist der größte „Nachholbedarf“. Und der einzige mir bislang bekannte funktionierende Weg zur Verbreitung von Mut und Herz ist das Selber Leben und abstrahlen.                 

Mittwoch, 14.12.

Heute war ich eingeladen nach Ansan, zwei Stunden südlich von Seoul, von der Korea Bioenergy association und dem Gouverneur der Provinz Geonggi-do (11 Mio Einwohner). Ca. 50 Leute aus Lokalpolitik und Verwaltung der Provinz waren da, auch Parlamentsabgeordnete. Der Vortrag wurde wieder begeistert aufgenommen, Ocki hat glaube ich ganz gut übersetzt, und ich habe meine Visionen für die künftige Energieversorgung auch jenseits der Bioenergie vorstellen können.

Die Diskussion war sehr lebhaft und drehte sich darum, wie man die hiesigen Klimaschutzziele auch umsetzen kann. Ich habe das Prosim100 Kalkulationsprogramm vorgestellt, welches genau dieser Umsetzung dient. Danach war ich auf dem Namdaemong Markt, 10.000 Verkaufstände, aber was ich suchte (Butter und Käse fürs Frühstück) habe ich nicht bekommen. Dafür noch ein paar Mitbringsel.

Jetzt bereite ich noch das Gespräch mit der Quantenphysikerin und Daeyajon Präsidentin Frau Lee morgen vor, sie hat mich zum Mittagessen hier an der Ewha Womans University eingeladen. Ich hab ihr von HP Dürr erzählt und der Beziehung zwischen Psychologie, klassischer mechanischer und der Quantenphysik. Wie können wir die Psychologie vom Kopf auf die Beine stellen - eine alte Frage von mir, vielleicht kommen wir morgen etwas weiter.

Donnerstag, 15.12.

Früh das Gespräch mit Frau Lee vorbereitet. Habe die Parallelen der Entwicklung der Disziplinen von Physik und Psychologie notiert, inwiefern die Psychologie der Physik seit 1960 hoffnungslos hinterherhinkt und dass die modernen Physiker die ich kenne, fast alle spirituell drauf sind und viele sich für globale Verbesserungen einsetzen. Zwei Hauptfragen: Was kann die Psychologie von der Physik mitnehmen, welche ja die verstaubte Newtonsche Fassung überwunden hat, während die Psychologie noch in der Billardkugel Kausalität verhaftet ist. Wie kann die Psychologie, jedenfalls diejenigen Teile die sich mit Mitwelt und Nachhaltigkeit befassen, die Bestrebungen der engagierten Physiker wie HP Dürr unterstützen? Können wir uns gegenseitig bereichern?

Nachdem ich vormittag noch auf den Namdong Berg mit dem Aussichtsturm – grandioser Blick über die Stadt - geklettert bin, traf ich dann um 12 Frau Lee. Anfangs legte ich ihr meine Überlegungen dar, die sie interessiert aufnahm. Meine Thesen der Psychologie der Nachhaltigkeit fand sie plausibel. Dann erklärte sie mir ihre Sicht der Physik. Seit Einstein haben wir ein Weltbild mit vier Dimensionen, mit dem die meisten Physiker seit 1960 operieren, das sich aber der Vorstellbarkeit mit unserer Wahrnehmung entzieht. So wie ein dreidimensionaler Körper wie eine Hand bei Projektion auf zwei Dimensionen dort nur als Schatten wahrnehmbar ist, also notwendig eine Dimension verliert und somit die Ganzheit leidet, so ist die Realität eben vierdimensional, aber wir können nur drei Dimensionen wahrnehmen und kriegen deshalb die Realität auch nur als  Schatten mit. Hier versagt also der Alltagsverstand kläglich, und auch die Wissenscshaft Physik kann sich nur bedingt und auf sehr abstrakte Weise dieser komplexen Realität annähern. Meine Vermutung, dass wir es aber spüren können, bejahte Frau Lee, dass wir also jenseits des Rationalen durchaus eine Vorstellung von den Zusammenhängen entwickeln können.

Nun frohlockte ich, eine Brücke bauen zu können zwischen der neuen Physik, der Spiritualität, der Psychologie mit den spirituellen Potentialen und dem Engagement von Physikern für globale Verantwortung, mir schien nun alles klar auf der Hand zu liegen. So fragte ich sie, ob sie diesen Zusammenhang in ihrem Leben als Physikerin, die sich als Präsidentin von Deajayon für globale Dinge engagiert - so wahrnimmt. Doch nun die Wende: Sie konnte das nicht bestätigen, sah ihre Tätigkeit als Physikdozentin und ihr Engagement für die Studentenvereinigung als voneinender losgelöste Aspekte ihres Lebens an, die nichts miteinander zu tun hätten.

Und nun liess sie die Katze aus dem Sack und fing an mit der Missionierung für die Church of God. Ich wusste zwar, dass sie da auch dabei ist, hatte aber nicht geglaubt, dass sie den Bogen dazu schlägt. Also erläuterte sie mir wieder die Bibelworte von der Ursünde der Ungläubigen welche zur Strafe ins Straflager Erde geschickt sind und dort sterben müssen und sich nur in die Ewigkeit zurückverdienen können, wenn sie Fleisch und Blut von Christus in Form von Brot und Wein aus der Hand eines Priesters zu sich nehmen, sprich, sich in die Church of God einordnen.

Ich versuchte, mehrmals den Bogen zurück zu dem Gespräch davor zu schlagen, dass man die Ewigkeit als Seele ja auch aufgrund rein physikalischer Annahmen mit der vierten Dimension erlangen könne oder eben durch spirituelle Vereinigung mit und Engagement für die Schöpfung, sprich durch Sinn und Liebe finden könne. Doch darauf liess sie sich nicht ein und kam schließlich zur Frage, ob sie mir jemanden von Ihrer Kirche in Deutschland auf den Hals hetzen dürfe. Ich blieb sachlich, sagte aber deutlich, dass ich nicht daran glaube, dass die Bibel von Gott verfasst wurde sondern von Menschen und daher für mich keine absolute Wahrheit ist sondern nur ein Angebot sein kann. Dass ich Missionierungsversuchen, die mit Druck eine Auffassung anderen überhelfen wollen, sehr allergisch gegenüberstehe, erwähnte die gescheiterten Missionierungen durch Staatsbürgerkunde in der DDR sowie durch die Mormonen. Dass sich angemessene Weltauffassungen nicht mit Druck durchsetzen lassen. Daraufhin beendeten wir recht abrupt das Gespräch. Ihre Geschenke, zwei Tassen und ein Badetuch mit Inschriften der Church of God, warf ich vor Ärger gleich um die Ecke in die Mülltonne.

Die Fragen, die ich noch hätte stellen mögen, wie sie diese verschiedenen drei Rollen in sich vereint und was sie motiviert, für die Church of God zu missionieren, habe ich aus Takt nicht gestellt. Immerhin hat sie mich an ihre Uni eingeladen und auch die Kosten für das Gästehaus übernommen. Doch leider hat das nun durch dieses letzte Gespräch ein Geschmäckle.

Nachmittag war ich dann nochmal in Ruhe auf dem Berg und bin ein wenig durch die Stadt gelaufen, aber es war hundekalt, so dass ich nun glücklich im überheizten Zimmer des Gästehauses der Rückkehr nach Hause entgegenfiebere

Habe heute noch den 50 Lokalpolitikern die versprochenen Unterlagen per mail zugesandt, sie interessierten sich auch für das 100prosim Programm von Herrn Schmidt Kanefendt, was mich sehr gefreut hat.

Es war insgesamt eine sehr fruchtbare Reise mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken, welche ich erst noch ein wenig werde verdauen müssen. Die positiven Rückmeldungen von den Teilnehmern der Seminare und Vorträge an den Unis zeigen, wie wichtig ist, dass wir uns gegenseitig Mut machen bei der anstehenden Transformation.

Freitag, 16.12. Abflug von Seoul

Morgens mit Ocki im Angel in us Cafe getroffen, über Projekte gesprochen – Übersetzung Kraft der Vision, Pioniere der Energiewende, 100prosim Programm für koreanische Regionen einsetzen.

Zur Church if God habe ich offen gefragt und Ocki hat offen geantwortet:

Seit wann CoG Mitglied? 2001

Finanzierung der CoG? Über Mitgliedsbeiträge von 10% des Einkommens!

Transparenz der Einnahmen/Ausgaben der CoG? Ja, wäre für Mitglieder transparent.

Seit wann Engagement für Daeyajon? Seit 2009

Wieviel Mitglieder des Vorstandes von Daeyajon sind in CoG? Angeblich nur die zwei, von denen ich weiss, da schien er mir ein wenig rumzueiern.

Was motiviert Dich zu missionieren? Menschen eine Hilfe zu geben, die Krebs haben, Angst vorm Tod haben, seine Mutter, Tochter. Seine Frau steht CoG kritisch gegenüber.

Also: Für die Verbesserung der konkreten Welt engagiert er sich im Rahmen der Studentenorganisation, für Fragen des Seelenheils und der Rettung in die Ewigkeit ist er in dieser Kirche.

Er fragte mich, was mir wichtiger sei: Die Verbesserung der äußeren Welt oder mein persönliches Seelenheil – und hoffte wohl, mich damit nun zu kriegen. Ich hab ihm die Wichtung von ego- sozial- und biosphärischer Wertepräferenz genannt und dass die grösseren Kontexte die jeweiligen Teilmengen einschliessen, und ich daher die globalen Anliegen über die individuellen Wünsche stelle. Deren Erfüllung fällt als Nebenprodukt beim Engagement für die grösseren Anliegen ab, wenn man auf die Evolution vertraut.  Damit war das Gespräch hierzu beendet. Ich hab Ocki noch gespiegelt, dass die Missionierung für mich unangenehm war und er hat sich entschuldigt.

Message aus der Geschichte für mich: Noch achtsamer sein, andere nicht unter Druck zu setzen, so sehr ich mich auch im Recht sehen mag. 

Flug von Seoul nach Mailand, zwölf Stunden.  

In Mailand habe ich mir den wirklich wunderschönen feingliedrigen Dom angeschaut, die Skulpturen an den Fassaden sowie die teils riesigen Fensteröffnungen sehen federleicht aus als könnten sie gleich losschweben – und sind doch aus Stein. Im Leonarda da Vinci Museum ein wenig der Seele dieses tollen Mannes nachzuspüren gesucht. Dass er seine kreativen Fähigkeiten auch in den Dienst von Kriegsmaschinen gestellt hatte, hat mich schon immer gewundert. Er hatte dies getan als Kompromiss, um die anderen Dinge finanzieren zu können, er war Pazifist, wie ich hier erfuhr. Die grosse Frage, wie weit man seine Ethik einschränken darf, um sein Brot verdienen zu können, gibt’s also schon lange.

Die Innenstadt um den Dom herum ist prachtvoll anzuschauen, Bürgersteige mit farbigen Natursteinen vieler Arten belegt, mondäne Schaufenster und Kauftempel. Dennoch sprach mich die Stadt nicht an. Wenig Grünflächen, Konsumfetischismus und viele viele Obdachlose, auch hier im Flughafen liegen überall Menschen ohne Wohnung herum.

 


Samstag, 17.12.

Da ich für fünf Stunden von Null bis 5 Uhr auch kein Hotel genommen habe, kann ich ein wenig mitfühlen, wie es diesen Personen so Nacht für Nacht geht. Hab die Zeit genutzt, um mit der Auswertung der Bürgermeisterinterviews zu starten. Hab mir dazu ein riesiges Plakat von der Wand hier genommen mit einer wunderbar weissen Rückseite, und die ist nun schon halb voll mit den spannenden Ergebnissen der Befragung. Gleich geht’s nach Berlin, dann sind die vier verrückten Wochen erstmal um. Mal schauen, was aus den vielen Gesprächen mit den Leuten dort, aber auch aus den intensiven Kontakten in diesen vier Wochen mit lieben Menschen in der Heimat  hervorwächst.